Passau/München
Debatte um Donaulied: Volkslied-Experte fordert Verzicht auf Hit

30.05.2020 | Stand 20.09.2023, 21:07 Uhr

in Notenblatt mit dem Liedtext "Einst ging ich am Ufer der Donau entlang". −Foto: dpa

Ein Mädchen liegt schlafend an der Donau, ein Mann kommt vorbei, vergewaltigt und verspottet es – der Inhalt des Donauliedes beschreibt unverhohlen sexuelle Gewalt. Die Passauer Studentin Corinna Schütz will per Online-Petition erreichen, dass das vor allem in Festzelten beliebte Lied nicht mehr gesungen wird. Für ihr Engagement ernten die Frau und ihre Unterstützer Zuspruch, aber auch Häme und Spott. Nach dem Motto: Sie sollten nicht so empfindlich sein. Ein Freiburger Volkslied-Experte sieht das Lied sehr kritisch.

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"Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala" oder "Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholalala, Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala", heißt es in dem Lied, von dem auch Ballermann-Sänger Mickie Krause eine – abgemilderte – Version aufgenommen hat. Viele Leute machten sich um den Text wohl gar keine Gedanken, sagt Schütz, deren Petition bereits mehr als 1000 Unterstützer hat.

Die Ursprungsfassung des Liedes stammt aus dem 19. Jahrhundert, wie Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg sagt. Es sei später vielfach parodiert worden, zumeist mit erotisch-sexuellen Inhalten. Die heute noch bekannte Fassung ist möglicherweise im Ersten Weltkrieg entstanden. "Wenn dies stimmt, müsste man die derbe Lesart mit der Situation junger Männer im Krieg zusammenbringen."

Experte: Text "unerträglich - auch aus der Perspektive der Männer"

"Lieder dieser Machart leben von der Grenzüberschreitung", meint der Experte. Jedoch: Der Text des Donauliedes sei aus heutiger Sicht "unerträglich, nicht nur aus der Perspektive von Frauen, sondern auch aus der Perspektive der Männer, die als Vergewaltiger dargestellt werden". Das Singen solcher Lieder hat seiner Ansicht nach nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun.

Die Anstößigkeit bestehe in der wenig verschleierten Vergewaltigung der Schlafenden. Dass es in der Gegenwart bei Party- oder Festkontexten immer wieder zu solchen Straftaten komme, sollte nicht ausgeblendet werden. "Deshalb sollte man auf dieses Lied besser verzichten."

− dpa