Corona und der neue Alltag im Amtsgericht

Dank Trennscheiben, Homeoffice, Mitziehen aller Mitarbeiter und guter Versorgung aus München gilt wieder Normalbetrieb

11.07.2020 | Stand 19.09.2023, 20:08 Uhr
Christine Pierach

Publikumsverkehr mit Trennscheibe: Im Grundbuchamt ist Publikumsverkehr wieder erlaubt. −Fotos: Pierach

Den totalen Lockdown hat es in der Justiz nie gegeben, in der Pandemie wohl aber strenge Regeln und Anweisungen inklusive Kontrollen. Die gelten fast alle bis heute weiter, werden mehr und mehr zum neuen Alltag auch im Amtsgericht mit zwei ausgelagerten Anlaufstellen. Direktorin Kunigunde Schwaiberger und Geschäftsleiter Franz Scheuer stellen diesen Alltag vor.
Wie in jedem Amtsgericht geht es auch in Passau längst nicht nur um Zivil- und Strafprozesse, die neben den Richtern deren Mitarbeiter in den Geschäftsstellen beschäftigen. Da sind zum Beispiel die Rechtspfleger, die Gerichtsvollzieher, von denen aber die meisten extern ihre Büros betreiben, die Wachtmeister und alle, die sich, auch teils in den Filialen in der Heiliggeistgasse und der Zengergasse, um die Pflege amtlicher Register und des Grundbuchs kümmern.
Vor Corona teilten sich auch mal vier Leute ein Büro. Das hat die Gerichtsspitze strikt ausgedünnt. Urlaubsreste wurden abgebaut, etliche Aufgaben konnten im Homeoffice weiterhin reibungslos erledigt werden. Gesundheitlich Vorgeschädigte, davon sind vier Leute betroffen, durften vorerst daheimbleiben. Dadurch war es möglich, dass viele, die weiter im Gericht arbeiteten, ein Einzelbüro hatten, teils noch haben. Ein einziger und nun wieder genesener Mitarbeiter hat sich infiziert. Durch die Einzelzimmer-Situation ist dies bislang der einzige Corona-Fall in Passaus Justiz geblieben. "Seit 27. April sind fast alle wieder im Haus", weiß Scheuer. Das ist auch das Stichdatum, seit Publikumsverkehr im Grundbuchamt und im Nachlassgericht wieder erlaubt ist. Dank neuer Trennscheiben, die letzten wurden Anfang Mai montiert. Nur eine weitere war im Gericht in einer Geschäftsstelle nötig, wo zwei Damen sich gegenübersitzen und der Raum ein Verrücken der Schreibtische nicht zulässt.
Für den Ermittlungsrichter, der ständig mit vielen Fremden Kontakt haben muss, weil er über die Inhaftierung Festgenommener, jeweils in Polizeibegleitung, entscheidet, hat der Geschäftsleiter gleich Ende März einen Raum im Erdgeschoss mit einer hohen Riesen-Trennscheibe versehen. Die amtlichen Versteigerungen, die sonst u. a. hier stattfinden, sind eh immer noch ausgesetzt. "Da sind wir mit der Stadt im Gespräch, ob wir damit in einen Saal im Rathaus oder in der Redoute gehen können", sagt Scheuer. Denn wirklich große Räume hat das Herbersteinpalais aus dem Jahr 1662, den das Gericht 1905 bezog, samt angekaufter Nebengebäude in der Schustergasse nicht zu bieten. Pandemiebedingt erledigten die Richter hier wie im Landgericht, wie berichtet, nur eilbedürftige Verfahren wie Gewaltschutzanträge und Prozesse um Angeklagte in U-Haft. Die hölzernen Wartebänke in den Foyers und die im kleinen Zuschauerraum sind mit Sperrfolie auf Abstand beklebt, Zwischentüren versperrt. Bei sehr vielen Prozess-Beteiligten kam es sogar vor, dass das Schöffengericht sich von den Kollegen im Landgericht einen großen Saal der Residenz borgte.
Zwischenfazit der Direktorin und ihres Geschäftsleiters: "Alle zogen mit, auch am Anfang, als dauernd ein anderes Vorgehen gefordert war. Da haben alle bereitwillig mitgewirkt und sich angepasst", loben sie. Ein guter Nebeneffekt sei, "dass die Mitarbeiter wieder zu schätzen gelernt haben, im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Hier gab es nie Kurzarbeit und keiner musste und muss Angst um seinen Job haben."
Inzwischen "fahren wir den Gerichtsbetrieb bedachtsam wieder hoch", erklärt die Direktorin. Weiterhin gelten in allen Gebäuden Maskenpflicht und Abstandsgebot, ist nach dem Betreten ein Kontaktformular auszufüllen. Was immer sich telefonisch oder schriftlich erledigen lässt, sollen Rechtssuchende weiterhin ohne persönliches Erscheinen erledigen. Wer selbst ins Gericht kommen muss, soll möglichst auf Begleitpersonen verzichten.
Kunigunde Schwaiberger fühlte sich in jedem Moment vom Ministerium und vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) "großartig unterstützt und begleitet. Wir bekamen stets aktualisierte Handreichungen, aber auch zum Beispiel Desinfektionsmittel und FFP 2-Masken, so viele wir brauchten, für die Betreuungsrichter, die Wachtmeister und die Gerichtsvollzieher. Und wir hatten viele Freiheiten in jeder Handhabe. Das war absolut gut, und auch der Informationsfluss war hervorragend." Franz Scheuer ergänzt: "Da wurde aus München ständig nachgesteuert und wir hatten feste Ansprechpartner, das lief schnell und reibungslos."
Dennoch mussten viele, nicht ganz eilige oder zunächst eben einfach nicht durchführbare Verfahren und Akten liegen bleiben. "Da ist schon was aufgelaufen", räumt die Direktorin ein: "Seit Ende Mai haben wir in etwa wieder Normalbetrieb, aber zum Beispiel die Gerichtsvollzieher schieben noch ganze Stapel an Vollstreckungsaufträgen vor sich her. Das wird mindestens bis zum Jahresende dauern, bis wir alles hereinholen."