Christo am Iseo-See: Kollektives Glücksgefühl

22.06.2016 | Stand 22.06.2016, 18:21 Uhr

So viel Freude, so viel Glücksgefühl im Zusammenhang mit einem Kunstwerk ist selten. Am dritten Tag seit Öffnung der "Floating Piers" waren "nur" rund 20 000 Menschen dort, mitten unter ihnen PNP-Redakteur Helmuth Rücker. Erwartet werden bei freiem Eintritt bis zum 3. Juli mehr als eine halbe Million Touristen aus aller Welt. Das könnte die sonst so beschauliche Region logistisch überfordern. − Foto: Georg Thumbach

Die Deutschen kennen ihn, weil er den Reichstag verhüllt hat. Nun lädt der Verhüllungskünstler Christo am Iseo-See

in Norditalien die Menschen dazu ein, übers Wasser zu wandeln. Es ist, so unser Autor, sein Meisterwerk.

Ich bin bekennender Christo-Fan. Seine Projekte ziehen mich magisch an. Der verhüllte Reichstag in Berlin – in der Nacht sind wir zu dritt nach Berlin gefahren, haben den Tag über davor gesessen und sind am Abend wieder heimgefahren. Das war 1995. Zehn Jahre später die Tore mit Vorhängen ("The Gates") im Central Park. Ich wollte schon immer mal nach New York. Wenn nicht jetzt, wann dann?! Und nun die "Floating Piers" am Iseo-See in Oberitalien. Wie Jesus über das Wasser wandeln – Christo macht es möglich. Nichts wie hin!

Als sein Jünger gehöre ich nicht zu denen, die tiefsinnig darüber streiten, ob das Kunst ist, was Christo spektakulär in Szene setzt. Ich genieße jeden Augenblick, auch wissend, dass es diese Kunst nur eine Weile geben wird. Vom Berg kommend, sehen wir das goldene Band im Wasser liegen. Die Landschaft ist verzaubert. Hier entsteht für eine kurze Zeit eine Verbindung zwischen dem, was das Wasser sonst trennt.

Sieben Stunden verbrachte unsere kleine Gruppe auf den schwimmenden Stegen, über zehn Kilometer haben wir zurückgelegt, Hunderte von Fotos gemacht im Bestreben, das Zauberhafte festhalten zu wollen. Es ist trotz allen fotografischen Könnens nicht gelungen. Es reicht nicht, diese Kunst zu sehen. Man muss sie spüren.

Ein Video von dem Kunstwerk