Caorle: Wo das Wasser das Leben bestimmt

31.07.2020 | Stand 12.10.2023, 10:16 Uhr

Auf gut einem Kilometer Länge schlendern Gäste an der Strandpromenade von Caorle entlang – vorbei an der Kirche Madonna dell’ Angelo und Steinskulpturen, die jedes Jahr im Rahmen eines Wettbewerbs entstehen.

Liege an Liege am Strand, und auf den Flaniermeilen der Stadt pulsiert das Leben bis weit nach Mitternacht: In Caorle treffen in einer normalen Saison rund 4,5 Millionen Touristen auf 12 000 Einwohner. Heuer, im Corona-Jahr 2020, ist alles ein wenig anders.

Klar, nichts geht über das Meer. Was wäre ein Sommerurlaub in einem Badeort wie Caorle ohne Strand, Sandburgen und Sonnenschein? Wer sich diesen Sommer trotz Corona an die italienische Adria traut, wird vermutlich mehr Platz haben als je zuvor. Zwölf Quadratmeter Fläche pro Familie sind in der Lagunenstadt vorgegeben. "Der Abstand ist an den Hotelstränden gewährleistet, und auch an den freien Abschnitten halten sich die Leute gut daran", erzählt Annalisa Greco vom örtlichen Tourismusbüro. Im Moment ist die Welt für sie in Ordnung. "Wir hatten nur wenige Corona-Fälle und haben alles gemacht, um für den Sommer gerüstet zu sein", sagt Annalisa Greco. Die Stadt habe den Restaurants mehr Außenflächen zur Verfügung gestellt, und auch alle Hotels verlagern das Geschehen soweit möglich ins Freie. Was jetzt noch fehlt sind die Touristen.

"Für mich als Einheimische fühlt es sich komisch an", erzählt die Mutter von zwei Töchtern. "So wenige Leute sind wir im Sommer nicht gewöhnt." Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge muss Caorle heuer mit der Hälfte der sonst üblichen 4,5 Millionen Touristen rechnen. Dabei komme ihre Stadt im Vergleich zu anderen Adriaperlen wie Jesolo oder Bibione noch gut weg. "Caorle ist eine kleine Stadt mit vielen Stammgästen. Davon profitieren wir."

Mehr Platz am Strand und mehr Übersicht in der Stadt – Caorle im Corona-Sommer ist auch eine Chance, die pittoreske Altstadt und ihre Sehenswürdigkeiten in Ruhe zu erkunden, gemütlich über die gut ein Kilometer lange Promenade zu schlendern und auch mal Dinge zu unternehmen, die man bei einem gewöhnlichen Badeurlaub vielleicht nicht unbedingt auf der Agenda hat.

Einen Ausflug in die Lagune zum Beispiel. Schon bei der Ausfahrt aus dem Fischereihafen wartet die erste Besonderheit – die Zugbrücke ist die einzige in ganz Venetien, die von Hand geöffnet wird. Die weitläufige Landschaft der Lagune, in der sich das salzige Wasser der Adria und Süßwasser mischen, bietet Pflanzenarten wie Orchideen und tierischen Bewohnern optimalen Lebensraum – und Fischern wie Jägern gute Beute. Bis Ende der 1950er Jahre hinein wohnte und jagte auch der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway in der Lagune und ließ sich von Landschaft und Lebensweise für sein Werk inspirieren. Die traditionellen Fischerhütten aus Holz und Schilf, die Casoni, gibt es noch immer – gut zu erkunden auch bei einer kleinen Radtour rund um die Stadt.

Das Hemingway-Haus sieht, wer mit einem Ausflugsschiff tief in die Lagune hinein schippert. Allein die Wasserfläche misst 7000 Hektar, wie Davide Patriarca erklärt. Der Neffe des Schiffskapitäns bessert im Sommer sein Budget an Bord der "Arcobaleno" als Fremdenführer auf. Das System der Lagunenkanäle, die die Hafenstädte der Adria verbinden, geht auf Universalgenie Leonardo da Vinci zurück und soll die Orte vor Überschwemmung schützen. Vom Schiff aus lässt sich am besten erkennen, wie sehr Caorle auf allen Seiten der Stadt von Wasser umgeben ist.

Dieser Umstand sorgt nicht nur für einen reichen Fischbestand, der sich auf den Speisekarten der Stadt widerspiegelt. Das ganze öffentliche Leben, die Feste und Feiern, werden vom Wasser bestimmt. Es gebe wieder erste, kleine Veranstaltungen, erzählt Annalisa Greco. Vor allem fiebert Caorle aber einem Großereignis entgegen, das nur alle fünf Jahre stattfindet – die Madonnen-Prozession zur Kirche Madonna dell’ Angelo in der "Caorlina". Das bunt verzierte Ruderboot, angetrieben durch 24-fache Muskelkraft und finanziert durch einheimische Spenden, wird von Fischerbooten aufs Meer hinaus begleitet. "Wir sind guter Dinge, dass alles wie geplant am 13. September über die Bühne gehen kann", sagt Annalisa Greco. "Die Caorlina wartet schon im Hafen auf ihren Einsatz." Diese jahrzehntelange, liebgewonnene Tradition wollen sie sich auch von Corona nicht vermiesen lassen.

Eva Fischl, Ressortleiterin der Redaktion Sonderseiten, recherchierte mit Unterstützung von IAT Caorle.

 Caorle liegt in der Metropolregion Venedig an der Mündung der Livenza in die obere Adria. Aufgrund seiner hübschen Altstadt-Architektur wird das Städtchen, dessen Name sich übrigens vom lateinischen Begriff für Zicklein ableitet, gerne als "Klein-Venedig" bezeichnet. Das beliebte Badeziel ist Mitglied der "Borghi Storici Marinari – Gioielli d’Italia", einer Vereinigung historischer Fischerorte.

ANREISEN

Aus allen EU-Staaten außer Bulgarien und Rumänien ist die Anreise seit Juni wieder ohne Quarantänepflicht gestattet, wenn sich die Reisenden zuvor nicht in Risikogebieten aufgehalten haben. Wer aus Drittstaaten einreist, muss eine Einreiseerklärung abgeben. An Flughäfen, Häfen, Bahnhöfen und auch im Überlandverkehr werden Gesundheitskontrollen mit Fiebermessungen durchgeführt. Vorsicht: Transitregeln in Österreich beachten!

ÜBERNACHTEN
In der Region gibt es zahlreiche Hotels, Ferienappartements und Campingplätze in allen Preiskategorien.

AUSFLUGSTIPPS
•Mit Motorschiffen, die am Fischerhafen von Caorle ablegen, lassen sich mehrstündige Ausflüge in die weitläufige Lagunenlandschaft unternehmen – die Touren sind meist mit einem Kaffee-Stopp in einer der typischen Fischerhütten der Gegend, den sogenannten Casoni, kombiniert. Infos und Buchung zum Beispiel unter www.motonavearcobaleno.com.

•Die traditionellen Casoni lassen sich auch gut bei einer Radtour erleben und mit kulinarischem Genuss verbinden: Sandro Bozza tischt in seinem Cason Grottolo auf der Isola dei Pescatori frischen Tagesfang aus der Lagune und der nahe gelegenen Adria auf, seinem Restaurant in der Via dei Casoni im Ortsteil Porto Falconera wird Geheimtipp-Status zugeschrieben, eine telefonische Reservierung unter +39 33 82 68 46 86 ist zu empfehlen.

HYGIENEREGELN

Laut Auswärtigem Amt sind in Italien ein Mund-Nase-Schutz und Einweghandschuhe vielerorts vorgeschrieben, vor allem dort, wo der nötige Abstand von ein bis zwei Metern nicht eingehalten werden kann. Verstöße gegen die Tragepflicht können mit Geldstrafen geahndet werden. Es werden häufig Temperaturmessungen (meist mit Stirn-Scannern) vor dem Betreten von Behörden, Museen oder Geschäften durchgeführt. Bei Fieber wird der Zutritt verwehrt und unter Umständen auch die staatliche Gesundheitsbehörde informiert. Auch Händedesinfektion mit zur Verfügung gestellten Desinfektionsmitteln ist oft Pflicht. Infos zu den Maßnahmen in Caorle finden sich auf der Homepage der Stadt unter www.caorle.eu/de/info/vacanze-sicure/vacanze-sicure.

www.caorle.eu