Die Auswahl des Festivals
Cannes 2020: Das wären die Filme gewesen

05.06.2020 | Stand 20.09.2023, 6:11 Uhr
Josef Lederle

Der deutsche Regisseur Oskar Roehler hat es auch in die Auswahl geschafft. −Foto: dpa

Wegen der Corona-Pandemie musste auch das Filmfestival von Cannes in diesem Jahr ausfallen. Jetzt haben die Macher ihre offizielle Auswahl veröffentlicht - mit 56 Filmen in verschiedenen Kategorien.

Das Corona-bedingt ausgefallene Festival in Cannes hat seine "offizielle Auswahl" bekanntgegeben: Die 56 Filme werden ihre Weltpremiere mit dem "Cannes-Siegel" nun eventuell bei anderen Festivals später im Jahr oder direkt im Kino feiern. In die Sammlung von Newcomern und etablierten Autorenfilmern hat es mit Oskar Roehlers Fassbinder-Hommage "Enfant Terrible" auch ein deutscher Film geschafft.

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Lange hatten sich die Macher dagegen gewehrt, ihre 73. Ausgabe sang- und klanglos abzusagen. Zwar war früh klar, dass der Termin im Mai aufgrund der Beschränkungen in Frankreich nicht gehalten werden konnte, doch schwebten durchaus die Optionen einer Verschiebung oder einer einmaligen Kooperation mit anderen Festivals im Raum.

Nachdem sich auch diese Hoffnungen zerschlagen hatten, kündigte Festivaldirektor Thierry Fremaux an, zumindest die Namen der Filme bekanntzugeben, die es unter normalen Umständen nach Cannes geschafft hätten.

Spekulationen gab es im Vorfeld reichlich; mit der Bekanntgabe der "offiziellen Auswahl" wurden sie jetzt teilweise bestätigt: Wes Andersons neue Ensemblekomödie "The French Dispatch", eine (wie bei dem Regisseur nicht anders zu erwarten) äußerst stilisierte Hommage an Frankreich, wäre wohl wirklich wie prognostiziert der Eröffnungsfilm geworden und hätte zu Beginn für Starauflauf gesorgt. Ebenso der neueste Animationsstreich von Pixar, "Soul", der seine glanzvolle Premiere in Cannes gefeiert hätte.

Auch an hochrangigen Vertretern des internationalen Autorenkinos befinden sich unter den nun genannten Werken einige vertraute Namen, darunter Steve McQueen (mit den fürs Fernsehen entstandenen Filmen "Lovers Rock" und "Mangrove" über Rassismus in Großbritannien), François Ozon (mit dem Coming-of-Age-Drama "Ete 85"), Naomi Kawase (mit "True Mothers"), Thomas Vinterberg (mit dem Alkohol- und Freundschaftsdrama "Another Round") oder Fernando Trueba (mit "Forgotten We"ll Be").

Und auch Rainer Werner Fassbinder wäre einmal mehr zu Festival-Ehren gekommen, über Oskar Roehlers biografische Annäherung "Enfant Terrible", den einzigen deutschen Film in der Auswahl. Ob er als erster deutscher Film seit "Aus dem Nichts" (2017) sogar in den Wettbewerb gelangt oder ihm eine Premiere in einer Nebensektion zuteil geworden wäre, bleibt offen für Spekulationen.

Statt der üblichen Aufteilung in Wettbewerb, "Un Certain Regard" und so weiter listet die diesjährige Auswahl die Filme nach anderen Kriterien auf: Neben den "Getreuen" wie Anderson, Ozon, McQueen, Kawase, der Französin Maiwenn oder den Koreanern Im Song-Soo und Yeon Sang-Ho stehen Cannes-"Neulinge" wie Roehler, der Brite Francis Lee, der Israeli Nir Bergman oder der in Cannes schon als Kurzfilm-Macher geehrte Schwede Magnus Van Horn.

Eigens aufgelistet werden zudem der Hongkong-"Omnibusfilm" "Septet: The Story of Hong Kong", 15 Erstlingsfilme, zum Beispiel von den Schauspielern Viggo Mortensen, Sami Guesmi und Nicolas Maury, drei Dokumentarfilme, fünf französische Komödien und vier Animationsfilme.

Den insgesamt 56 Filmen entgeht nun zwar die glanzvolle Premiere an der Croisette, sie können sich aber gewissermaßen mit dem "Cannes-Siegel" schmücken, wenn sie im weiteren Verlauf des Jahres in den Kinos anlaufen und eventuell auch auf anderen Festivals gezeigt werden.

Fremaux nannte Filme Toronto, Deauville, San Sebastian, Pusan, Morelia, Angoulême, New York, Rom, Rio, Tokio, Mumbai, Mar del Plata and Sundance als mögliche Premierenorte, die freilich ihrerseits von der Entwicklung der Corona-Krise abhängen.

Unabhängig davon, wann und wo die Filme zu sehen sein werden, könnte das "Cannes-Siegel" gerade den unbekannteren unter den Filmemachern zugutekommen. Dass einige heiß erwartete Werke nicht zur Auswahl gehören - etwa die neuen Filme von Leos Carax, Ildiko Enyedi und Mia Hansen-Love - dürfte im Übrigen davon abhängen, dass diese schlicht nicht rechtzeitig fertig wurden, bevor die Corona-Maßnahmen die Produktionen zum Stopp brachten. Gut möglich, dass diese Filmemacher nun erst in Cannes 2021 ihre Arbeiten präsentieren werden.

Josef Lederle