Politik
Bürgergeld: FDP auf Kompromisskurs - Rote Linien aus Bayern

15.11.2022 | Stand 15.11.2022, 17:53 Uhr

−Symbolbild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Vor dem Vermittlungsverfahren zum geplanten Bürgergeld sendet die FDP Kompromisssignale an die Union. Die hingegen bemängelt weiter, dass etwa kaum Sanktionen eingebaut sind. Das wiederum sorgt anderswo für Kritik.



„Es bringt ja nichts, wenn alle auf dem Baum bleiben“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor den Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Am Montag hatte die geplante Sozialreform der Ampelkoalition, mit der Hartz IV in seiner heutigen Form abgelöst werden soll, im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.

Dürr sagte, die Union verbreite „Märchen, wenn sie die ersten sechs Monate als sanktionsfreie Zeit darstellt“. Es sollten nur bestimmte Sanktionsmöglichkeiten wegfallen, die am Anfang des Bezugs ohnehin keine Relevanz hätten. Ziel dabei sei, Bürokratie abzubauen. „Aber wenn die Union dieses Symbol braucht, bin ich dafür offen, Sanktionsmöglichkeiten beizubehalten.“

Die Union hatte sich gegen die geplante „Vertrauenszeit“ von einem halben Jahr gewandt, in der Bürgergeld-Bezieherinnen und -Bezieher kaum Leistungskürzungen bei Fehlverhalten drohen. Dürr schloss aber aus, nur die Beträge der heutigen Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wie dies die Unionsspitzen gefordert hatten. „Wenn wir nur die Regelsätze erhöhen, wie die Union das will, verringern wir den Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen“, sagte der FDP-Politiker.

FDP: Reden gerne mit der Union

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte im Frühstart von RTL/ntv: „Wenn die Union der Meinung ist, hier gibt es Wege, Sanktionen zu schärfen, dieses System des Bürgergeldes effizienter zu gestalten, dann sind wir sehr gerne dabei, mit der Union über diese Frage zu reden.“ Auch über Zuverdienstmöglichkeiten und weitere Qualifizierungsmaßnahmen könne man verhandeln. Mit der Union gebe es „große Schnittmengen“. Den ersten Entwurf des SPD-Arbeitsministers Hubertus Heil habe die FDP bereits nachgeschärft.

Heil hatte alle Seiten zur Offenheit für einen Kompromiss aufgerufen. So eine Verständigung soll nach seinem Willen bereits am 25. November in der Länderkammer verabschiedet werden, so dass das neue Regelwerk wie geplant am 1. Januar in Kraft treten kann. Es zeichnete sich ab, dass der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag voraussichtlich am 23. November über einen Kompromiss entscheiden soll. Dies berichtete unter anderem „Business Insider“.

Bayerische Bedingungen

Bayern zog klare rote Linien. Bayerns Sozial- und Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) nannte nach einer Sitzung des Kabinetts in München drei Punkte, die das Bürgergeld „für uns nicht zustimmungsfähig machen“. „Dass es so gut wie keine Sanktionen gibt, ist nicht akzeptabel“, betonte Scharf.

Zudem nannte die Ministerin die sogenannte Vertrauenszeit, das heißt, das erste halbe Jahr des Bezugs, in dem Arbeitslose künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden sollen. Ferner stört sich Bayern an den hohen Vermögensfreistellungen, die Menschen in den ersten zwei Jahren des Bürgergeld-Bezugs eingeräumt werden.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja betonte auf Twitter: „Unsere Hand bleibt ausgestreckt.“ Die CDU wolle die Regelsätze erhöhen und Menschen so schnell es geht in Arbeit bringen.

„Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, dass Sanktionen von Anfang an verhängt werden können“ sagte der Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, der Mitglied im Vermittlungsausschuss ist, der „Augsburger Allgemeinen“.

Kinderschutzbund übt Kritik an Union

Der Kinderschutzbund kritisierte die unionsgeführten Länder für ihre Blockade des Bürgergelds. „Die Verweigerungshaltung der Union beim Bürgergeld ist unanständig“, sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Paritätische Gesamtverband rief Bund und Länder in „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ zu einer schnellen Einigung auf.

54 Prozent der Bundesbürger glauben laut RTL/ntv Trendbarometer, dass durch das künftige Bürgergeld Arbeitslose bessergestellt werden als Erwerbstätige mit geringem Einkommen. 38 Prozent glauben das nicht.

− dpa