Bittere Jahre für Rupert Stadler

Prozess gegen Ex-Audi-Chef geht über 176 Verhandlungstage und ein Urteil ist erst Ende 2022 zu erwarten

08.06.2020 | Stand 08.06.2020, 22:46 Uhr
Stadler −Foto: SCHMATLOCH

Prozess gegen Ex-Audi-Chef geht über 176 Verhandlungstage und ein Urteil ist erst Ende 2022 zu erwarten

Rupert Stadler ist einer der bekanntesten deutschen Auto-Manager gewesen. Der einst so erfolgreiche Audi-Chef stürzte jedoch über die Abgas-Affäre, welche die Branche und vor allem den gesamten VW-Konzern noch immer schwer belastet. Seit Montag ist klar, dass sich der 57-Jährige unter anderem wegen Betrugs vor Gericht verantworten muss.

Der Abgas-Skandal hat die deutsche Automobil-Industrie in eine ihrer wohl schwersten Krisen überhaupt gestürzt. Seit Ende des Jahres 2015 schon schwebt dieses Damoklesschwert vor allem über dem Volkswagen-Imperium – und somit eben auch über der Audi AG. Im Laufe der Zeit entwickelte sich vor allem er zum Gesicht des später auch als „Dieselgate“ titulierten Dramas: der inzwischen ehemalige Vorstandsvorsitzende des Ingolstädter Autobauers mit den vier Ringen, Rupert Stadler.

Seit Montagnachmittag steht nun fest, dass sich der gebürtige Tittinger im Zuge der Affäre vor Gericht verantworten muss. Das Landgericht München hat die Anklage gegen Stadler wegen Betrugs angenommen, wie man dazu mitteilt. Wie es weiter heißt, soll der Prozess gegen den Ex-Audi-Chef und drei weitere Angeklagte am 30. September dieses Jahres starten. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass Stadler als Konzernchef spätestens Ende September 2015 von den Manipulationen an bei Audi gefertigten Diesel-Motoren Kenntnis gehabt haben müsse. Dennoch habe er den Verkauf der Fahrzeuge nicht verhindert. Für die Staatsanwaltschaft ergibt sich daher der Vorwurf des Betrugs sowie der mittelbaren Falschbeurkundung. Überdies wirft man Stadler auch strafbare Werbung vor. Der Ex-Manager hat all das immer bestritten.

Stadler ist einer der populärsten Vorstandschefs in der Geschichte der Audi. Aufgewachsen als Sohn eines Landwirts im Landkreis Eichstätt, führt ihn sein beruflicher Weg Anfang der 1990er-Jahre zu den vier Ringen. Damals betätigt sich der studierte Betriebswirt im Controlling. Schnell arbeitet er sich hoch, übernimmt geschäftsführende Aufgaben, wird letztlich Vorstand für Finanzen und Organisation. Im Dezember 2006 beruft ihn der Aufsichtsrat der Audi AG zum neuen Vorstandschef. Er folgt auf Martin Winterkorn, unter dem Audi einen kometenhaften Aufstieg erlebt hat – was Stadler in den kommenden Jahren vorführen sollte. Am 1. Januar 2007 ist Stadler am Höhepunkt seiner Karriere als Auto-Manager angekommen.

Am 19. Juni 2018 endet diese Zeit mit einem Knall. Der Audi-Aufsichtsrat entscheidet, Stadler zu beurlauben. Und am 2. Oktober desselben Jahres zieht der VW-Aufsichtsrat nach. Somit ist Stadler nicht mehr Chef der Ingolstädter VW-Tochter.

Vorausgegangen sind immer neue Details im Abgas-Skandal, die letztlich sogar zu Vermutungen geführt haben, dass die fragliche Software zur Manipulation von Abgaswerten auf dem Prüfstand aus den Laboren der Audi AG stammen könnte. Seit dem 30. Mai 2018 gilt Rupert Stadler bereits als Beschuldigter in der Affäre. Am 11. Juni 2018 werden die privaten Räume der Familie nach einem Beschluss der Staatsanwaltschaft München II durchsucht. Nachdem der Verdacht aufkommt, der Manager habe in der Zwischenzeit versucht, Zeugen zu beeinflussen, wird er schließlich am 18. Juni 2018 in Augsburg in Untersuchungshaft genommen, aus der er vier Monate nicht freikommen sollte. Im Anschluss musste er aber auch weiterhin ihm auferlegte Kontaktverbote beachten.

Nun also die Annahme der Anklage. 176 Verhandlungstage sind angesetzt. Vor Ende 2022 wird wohl kein Urteil ergehen. Die Anklageschrift umfasst laut Medienberichten gut 400 Seiten plus 700 weitere Papiere im Anhang. Stadler selbst hatte in Vernehmungen stets eine Mitwisserschaft oder gar eine Beteiligung an den Diesel-Manipulationen bestritten.

Der 57-Jährige ist längst kein Angestellter der Audi AG mehr – aber eben noch immer sehr präsent. Auf Anfrage teilt der Konzern mit, es sei „die Aufgabe des Gerichts, sich eine Überzeugung zu den Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft zu bilden. Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ein weiterer Schritt der juristischen Aufarbeitung gegenüber Einzelpersonen“. Man betont zudem, dass die Zulassung der Anklage unabhängig vom Verfahren gegen die Audi zu sehen sei. Dieses wurde tatsächlich im Oktober des Jahres 2018 abgeschlossen. „Gleichzeitig gehört die Diesel-Krise zur Audi-Historie. Wir reden sie nicht schön. Die Audi AG hat deswegen am Ende des Ordnungswidrigkeitsverfahrens ein Bußgeld von 800 Millionen Euro akzeptiert und beglichen“, so ein Sprecher.

Zudem kooperiere man auch weiterhin umfassend mit den ermittelnden Behörden. „Audi ist seit Bekanntwerden der Diesel-Krise ein anderes Unternehmen geworden und hat die Zeit zur Erneuerung genutzt.“ Man habe seither „umfassende Maßnahmen“ ergriffen, um die richtigen Lehren zu ziehen, schreibt das Unternehmen.

Auch Stadlers direkter Vorgänger im Amt und späterer mächtiger Volkswagen-Konzernchef Winterkorn sieht sich mit einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig konfrontiert. Sie wirft ihm seit April 2019 in der Diesel-Affäre ebenfalls Betrug und strafbare Werbung vor. Das Landgericht in der niedersächsischen Stadt zweifelt aber an den Vorwürfen, die besagen, er habe bereits Mitte 2015 von den Vorgängen gewusst. Die Anklage ist noch nicht zugelassen.

Von Christian Tamm