Bayerischer Wald
Besucherandrang zu groß: Nationalpark zieht Konsequenzen

12.06.2020 | Stand 20.09.2023, 6:28 Uhr

Abstandsregel? Welche Abstandsregel? Auf dem Rachelgipfel scheren sich die zahlreichen Wanderer um keine Corona-Maßnahmen. −Fotos: Porst/Biebl/Nationalpark Bayerischer Wald

Fronleichnam hatte es wieder in sich. "Wenn jedes zehnte Auto ein einheimisches Kennzeichen hatte, dann war es schon viel", sagt ein Bayerwaldler, der seit einiger Zeit am Wochenende und an Feiertagen bei schönem Wetter aus seiner Heimat regelrecht "flüchtet". Eingenommen wird diese dann von Straubingern, Landshutern, Deggendorfern, Passauern - ja sogar bis aus München und Dachau würden die Besucher kommen, erzählt der geplagte Anwohner.

"Es ist extrem viel los", bestätigt der Bürgermeister von Neuschönau (Landkreis Freyung-Grafenau), Alfons Schinabeck, der im PNP-Gespräch von einer "Ausnahmesituation" für den Nationalpark Bayerischer Wald spricht. Die Nationalparkverwaltung sieht sich nun zum Handeln gezwungen, nachdem an Fronleichnam – wie bereits am Pfingstmontag – wieder Völkerwanderungen auf die beliebten Bayerwald-Gipfel Lusen, Rachel und Falkenstein unterwegs waren.

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"Schon in der Früh ist am Lusen-Gipfel einiges los", sagt Schinabeck, dessen Gemeinde am Fuße des Berges liegt. Auch geparkt wurde wieder kreuz und quer. "Gerade in der Ferienzeit ist es oft vorgekommen, dass sogar großflächige Parkplätze ihr Kapazitätslimit bereits am Vormittag erreicht haben", so die Nationalparkverwaltung in einer Pressemitteilung. So sei etwa der Parkplatz des Nationalparkzentrums überfüllt gewesen. "Deshalb wird auch an Plätzen geparkt, die für die Verkehrssicherheit wichtig sind", bedauert Bürgermeister Schinabeck. So werden Rettungswege, Grünstreifen und auch Buswendemöglichkeiten zugeparkt. Der Tourismusort Bodenmais (Landkreis Regen), der dieselben Erfahrungen machen musste, hatte sich deshalb jüngst an den ADAC gewandt und um Hilfe gebeten. Der Automobilclub hat daraufhin ein Verkehrskonzept für Bodenmais erarbeitet.

Waldführer sollen Besucherströme lenken

Im Nationalpark sollen indes nun ehrenamtliche Waldführer die Besucherströme lenken. "An den neuralgischen Punkten werden die Besucher dann gleich beim Ankommen informiert", erklärt Nationalparkleiter Dr. Franz Leibl. Ihnen werde mitgeteilt, welche Parkplätze aktuell noch frei sind und angesteuert werden können. Auch über seinen Facebook-Account will der Nationalpark über Engpässe informieren, ebenso über Radiostationen, wie an Fronleichnam erstmals praktiziert. Leibl verweist zudem auf die Waldbahn und die Igelbusse, die zur Anreise genutzt werden sollen. "Das Auto kann dann schon im Vorfeld des Nationalparks stehen bleiben."

Da sich auf den Wanderwegen und den Gipfeln die Menschen drängen, müsse verstärkt auf die Corona-Hygieneregeln geachtet werden. Besonders an den Hotspots des Schutzgebiets sei das Abstandhalten nicht immer einfach. "Hier bitten wir eindringlich um eine gegenseitige Rücksichtnahme", betont Nationalparkleiter Leibl. Denn wer einen Ausflug in das Gebiet unternimmt, muss einen Mund-Nasen-Schutz dabei haben. Dieser muss im ÖPNV, in den Besuchereinrichtungen wie dem Hans-Eisenmann-Haus und dem Haus zur Wildnis und beim Betreten der bewirtschafteten Schutzhütten getragen werden.

"Rücksicht, Respekt und gesunder Menschenverstand" gefordert

Auch die Natur wird zur Leidtragenden der Massen. "Alle Besucher sollten nicht vergessen, dass der Nationalpark ein Schutzgebiet ist, in dem seltene Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vorkommen", mahnt Leibl. Im Kerngebiet sei das Verlassen markierter Wege nicht gestattet. Nur so könne etwa das bedrohte Auerhuhn überleben. Radfahren sei nur auf dafür ausgewiesenen Wegen erlaubt. Zelten, Übernachten auf Parkplätzen und Müll einfach wegzuwerfen, sei verboten. Doch viele scheinen sich an all das nicht zu halten. Die Nationalparkwacht habe in jüngster Zeit vermehrt Verstöße reklamiert. Die Besucher müssten mit einem Bußgeld rechnen.

Aussperren wollen Leibl und Schinabeck die Gäste aus dem Nationalpark freilich nicht. "Wir freuen uns, wenn sie kommen", betont der Neuschönauer Bürgermeister. Allerdings sollten sie sich mit "Rücksicht, Respekt und gesundem Menschenverstand" durch die "einzigartige Natur" bewegen, ergänzt Leibl.