Eggenfelden
"Bei Kinderschändern kein Pardon" - Eggenfeldener Schöffin berichtet

20.02.2018 | Stand 19.09.2023, 6:30 Uhr

Die Gemeinden sind aktuell auf der Suche nach Bewerbern und Vorschlägen für das Schöffenamt am Amtsgericht Eggenfelden und am Landgericht in Landshut. − Fotos: Lang

Seit 26 Jahren ist Martha Gerstl regelmäßig vor Gericht – nicht auf der Anklagebank, sondern als Schöffin. Im Interview erklärt die 72-jährige Pfarrkirchnerin, warum man kein Staatsexamen braucht, um Recht zu sprechen, und wie es sich anfühlt, Mitleid mit einem Mörder zu haben.



Sie sind gelernte Krankenschwester. Obwohl Sie nie Jura studiert haben, fällen Sie Gerichtsurteile. Ist das rechtens?


Gerstl: Als Schöffin repräsentiere ich die Stimme aus dem Volk, dazu braucht man kein Staatsexamen. Vor jeder Amtsperiode werde ich von einem Richter vereidigt. Es gibt keine formalen Voraussetzungen für das Schöffenamt, nur auf dem Kerbholz darf man nichts haben. Gesunder Menschenverstand und Gerechtigkeitssinn sind natürlich auch von Vorteil.

Wie sieht der Verhandlungsalltag am Amtsgericht in Eggenfelden aus?

Gerstl: Verhandelt werden dort eher kleinere Vergehen wie Raufereien, Diebstähle oder Verkehrsunfälle. Das ist natürlich nicht so spektakulär wie man es vielleicht aus Gerichtsshows kennt. Aber auch in diesen Fällen muss natürlich Recht gesprochen werden.

Hatten sie jemals Mitleid mit einem Mörder?

Gerstl: Ich erinnere mich an einen ganz jungen Mann, der getötet hatte, als er unter Drogen stand. Die psychologischen Gutachten haben damals gezeigt, was für schlimme Dinge er selbst mitmachen musste. Aber das ist natürlich kein Freifahrtschein. Letztendlich verurteilen wir vor Gericht die Taten und nicht die Menschen, das rufe ich mir dann ins Gedächtnis. Bei Kinderschändern und Vergewaltigern kenne ich aber kein Pardon.
Das Gespräch führte Theresa Lang.