Bad Füssing
Beckstein bei EUB: "Erdogan will türkischen Islam-Staat"

04.10.2020 | Stand 19.09.2023, 23:05 Uhr

"Die Türkei zwischen Nationalismus und Islamismus" bildete die abendfüllende Thematik des jüngsten EUB-Monatsstammtisches in der urigen "Alm" beim Wirt z’Füssing. Hinten stehend (v.l.) Landrat Raimund Kneidinger und EUB-Vorsitzender MdL a.D. Konrad Kobler mit Ministerpräsident a.D. Dr. Günther Beckstein, Hausherr Martin Zwicklbauer sowie Generalkonsul Wladimir Duvnjak (Kroatien). −Foto: Nöbauer

Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein war beim Monats-Stammtisch des niederbayerischen Bezirksverbands der überparteilichen Europa-Union Bayerns (EUB) als Referent zu Gast. Sein Thema: "Die Türkei zwischen Nationalismus und Islamismus".

EUB-Vorsitzender MdL a.D. Konrad Kobler begrüßte mit Beckstein als einen "ausgewiesenen Spitzenpolitiker, der erst differenziert denkt, dann eindeutig spricht und zuletzt vor allem auch entsprechend lenkt". Bekannt geworden sei Beckstein als Mann von "Law and Order": Bis 2013 insgesamt 14 Jahre lang Staatsminister des Innern und späterer Bayerischer Ministerpräsident, habe Dr. Günther Beckstein bundesweites Renommee für sein allseits bekanntes Rechts-, Gesetzes- und Ordnungsprinzip genossen.

"Asylanten samt entsprechend hoher Kosten, Islamismus mit rund drei Millionen Türken im deutschen Land, Energieproblematik mit den griechischen Nachbarn sowie nicht zuletzt fehlende Rechtsstaatlichkeit: Als einer der profundesten und markantesten Kenner von türkischem Nationalismus und Islamismus analysiert Dr. Beckstein die zukunftsweisende Frage einer dauerhaften Abwendung der Türkei von Europa", rückte Kobler "fundierte Beckstein-Aussagen in den thematischen Kontext".

Dr. Günther Beckstein erinnerte zunächst an einige historische Landesentwicklungen in der Türkei – an die "ungeheuer faszinierende Geschichte mit einem ganz großen Staatsmann Atatürk, der die Türkei vor rund 100 Jahren massiv nach europäischem Stil veränderte, Turban samt Kopftuch unter Strafe stellte und bereits 1928 die islamische Staatsbürgerschaft für seine Landsleute abschaffte". Weil mit den aktuellen Staatsgrenzen praktisch sämtliche vorgelagerten Inseln völkerrechtlich zu Griechenland gehörten, verfüge die Türkei als größter Mittelmeerstaat theoretisch über eigentlich keinen direkten Mittelmeerzugang. Unter dem Aspekt, dass von der Nordtürkei aus der gesamte europäische Teil Russlands abgehört werden könne, betrachtete der Referent den vorderasiatischen Staat als "wichtigen strategischen Nato-Partner, der seit 1995 als offizielles Mitglied der Europäischen Zoll-Union überdies Freihandelsstatus" bekleide. Ausdrücklich verwies Beckstein auf den "binnen drei Minuten von sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten gebilligten Beitritts-Antrag Ankaras zur Europäischen Gemeinschaft, während Erdogans islamische Partei sogar der Europäischen Volkspartei beitreten wollte. "Aus dessen zwei Visiten in meinem eigenen Haus und ebenso viel privaten Gegenbesuchen des traditionell strengen Moslems Erdogan weiß ich: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ist ein ganz spannender Mann mit einer extrem schwierigen und konservativen islamischen Frau, die grundsätzlich keinem Mann die Hand reicht", berichtete Beckstein von Begegnungen mit Erdogan.

"Weil die türkische Verfassung für das Amt des Staatspräsidenten verpflichtend einen akademischen Grad voraussetzt, wurde der Titel eines Imam, für den der Religionsvorsteher den Koran als Gesamtheit der Offenbarungen des Propheten Mohammed und zugleich heiligen Buches des Islam auswendig lernen muss, zugunsten Erdogans kurzerhand akademisiert", beleuchtete Dr. Beckstein exemplarisch dessen "fehlendes Rechtsempfinden". Wer sich zudem politisch-kritisch über den Staatspräsidenten äußere, werde eben "kurzerhand verhaftet", selbst wenn es Zehntausende seien.

Erdogan verstehe es wie kein anderer, Macht in rigoroser Weise mit Gewalt durchzusetzen, ließ Bayerns Ex-Ministerpräsident keine Zweifel über dessen autoritären und diktatorischen Regierungsstil aufkommen. Dennoch seien Deutschland und die Türkei wirtschaftlich eng verflochten. So befinde sich das größte MAN-Werk in der Türkei, eine VW-Fabrikationsstätte in Kleinasien sei beabsichtigt.

"Klar auf der Seite von überzeugten Muslim-Bruderschaften stehend, will Erdogan als Aufrührer der muslimischen Welt die Türkei zu einem rein islamischen Staat machen", betonte Beckstein. Die große Zahl von Türken in Deutschland bilde ein "Faustpfand für eine türkeifreundliche Politik Deutschlands". Geprägt von einem ursprünglichen Nationalismus, "den wir nicht kennen, bilden unsere Türken Vorreiter eines islamischen Staats, der dafür sorgen soll, die Türkei in Deutschland voranzubringen", sprach der Referent Klartext. Den hiesigen Imamen würden dabei nicht nur regelmäßig vorgefertigte Freitagsgebetstexte, sondern auch die Monatsgehälter aus der Türkei zugeschickt. Verträge würden Erdogan kalt lassen. Jüngstes Beispiel: die "völlig ungerechtfertigten Öl- und Gasbohrungen im Mittelmeer". Für "erpresserische Maßnahmen gegenüber der EU" würden außerdem "ganz bewusst Flüchtlinge" eingesetzt.

Weil die Türkei niemals bereit sein würde, christlich orientierte EU-Kulturstandards einzuhalten, bezweifelte Beckstein eine "türkische Vollmitgliedschaft – ob in zehn, 20 oder 40 Jahren".

− nö