Dunkle Seite der Geschichte
Ausstellung "Sklaven" im Rijksmuseum Amsterdam

18.05.2021 | Stand 20.09.2023, 0:14 Uhr
Annette Birschel

Sklaven bei der Arbeit, dargestellt von einem unbekannten Maler, um 1850. −Foto: Rijksmuseum

Ein grauer Balken liegt auf dem Boden, drumherum dicke rostige Eisenketten – eine Fußzwinge. Anfang des 17. Jahrhunderts war sie in der niederländischen Provinz Zeeland angefertigt worden, vermutlich für eine der Kolonien in Südamerika.

Nun liegt das Stück Holz in der Sklaverei-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum, die gestern eröffnet wurde. In seiner groben Einfachheit zeigt dieser "Tronco" (Baumstamm) den ganzen Schrecken eines menschenverachtenden Systems: Neun Menschen konnten damit an die Kette gelegt werden. Sogar Tiere im Stall konnten sich freier bewegen.

Das Rijksmuseum ist sonst große Bühne für die Pracht des sogenannten Goldenen Zeitalters im 17. Jahrhundert. Damals waren die Niederländer Herren des Welthandels und brachten mit ihrer Flotte unermessliche Reichtümer nach Hause. Doch so golden war dieses Zeitalter gar nicht.

Das zeigt ein Goldkästchen, ein Geschenk der Westindischen Compagnie für Statthalter Willem IV. von 1749. Auf dem reich verzierten Deckel präsentieren die Kaufleute ihre Waren: Elfenbein, Gold und Menschen.

Zum ersten Mal befasst sich das Museum mit der dunklen Seite der Geschichte. Der Reichtum beruhte auch auf dem Leiden von Hunderttausenden Menschen. Die Westindische Compagnie (WIC) der Kaufleute war ein großer Spieler im transatlantischen Menschenhandel in Westafrika, Süd- und Lateinamerika und der Karibik, und die Ostindische Compagnie (VOC) in Asien. Millionen Menschen wurden in rund 250 Jahren Kolonialzeit Opfer von Sklaverei.

Erst 1863 schaffte das Land, das sich zu Hause gerne als Wiege der Toleranz und Nächstenliebe präsentierte, die Sklaverei ab – als eines der letzten Länder der Welt. Die Sklavenhalter wurden pro Mensch entschädigt, die befreiten Sklaven aber für weitere zehn Jahre zur Arbeit auf derselben Plantage gezwungen. "Sklaverei ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Geschichte", sagt Taco Dibbits, Direktor des Museums. "Bisher haben wir aber diese Geschichte nicht vollständig gezeigt." Zu oft wurde sie einfach übersehen. Schwarze wurden auf Gemälden nicht wahrgenommen oder höchstens als "dekorativer Schmuck".

Schon seit Jahren kämpfen vor allem schwarze Niederländer für die Anerkennung des Leidens ihrer Vorfahren, als Teil der niederländischen Geschichte. Und im Zuge der Rassismus-Debatte wurde diese Frage immer aktueller. "Die Geschichte wird viel zu wenig erzählt", sagt Valika Smeulders, leitende Historikerin des Museums. Das geschieht nun am Beispiel von zehn historischen Personen – Plantagenarbeiter, Sklaventreiber, Kaufleute, Freiheitskämpfer.

"Es geht in dieser Ausstellung darum, was man nicht sieht", sagt Smeulders. Viele Objekte zeigen vor allem die Sklaven als Ware – Kassenbücher, Gemälde von Plantagen oder Karten. Die Objekte stammen aus der Amsterdamer Sammlung sowie aus Südamerika, Indonesien und Südafrika.

Da ist das Brandeisen mit dem Logo der WIC, das den Schwarzen in die Haut gebrannt wurde als Eigentumsbeweis. Oder ein goldfarbenes Halsband. Jahrelang hatte das Museum es als Hundehalsband katalogisiert. Doch auf Gemälden aus dem 17. Jahrhundert sieht man, dass schwarze Diener es tragen mussten.

Objekte aus dem Leben der Sklaven selbst gibt es kaum. Sie hatten keinen Besitz, ihnen wurde die Kultur genommen, die Religion, der Name. Ihre Stimmen aber hören wir in Legenden, Liedern und persönlichen Berichten.

Die Personen bekommen ein Gesicht und eine Geschichte – eindringlich, beklemmend, aber auch hoffnungsvoll.

Die Ausstellung ist momentan online zu sehen. Das Rijksmuseum soll am 1. Juni wieder eröffnet werden. Die Ausstellung geht bis zum 29. August.