Vilshofen/Passau
Auf Bub (11) eingestochen: Staatsanwaltschaft fordert neun Jahre Haft

06.06.2019 | Stand 20.09.2023, 0:26 Uhr

Der fragende Blick von Pflichtverteidiger Christoph Schima gegenüber dem Angeklagten zu Beginn des vierten Verhandlungstages hatte wohl mehr mit Äußerlichkeiten zu tun als mit dem Verlauf des Prozesses. −Foto: Rücker

Im Prozess um den Messerangriff eines 26-Jährigen auf ein elfjähriges Kind in Vilshofen (Landkreis Passau) sind am Donnerstag die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft fordert, den Angeklagten wegen versuchten Mordes zu verurteilen.

Auch am vierten Verhandlungstag vor dem Landgericht Passau blieb die Frage unbeantwortet stehen: Warum ist ein 26-jähriger Mann aus Eritrea im Juli vergangenen Jahres mit einem Messer auf einen damals elfjährigen Buben losgegangen und hat ihn dabei schwer verletzt? Eine Fachärztin für Psychiatrie attestierte dem Angeklagten eine wahnhafte Störung, eine sehr seltene Erkrankung. Ausgelöst wurde diese wohl von den schrecklichen Erlebnissen des jungen Mannes während der Flucht. Der Mann war gefoltert und vergewaltigt worden.

Mehr dazu:
- Messerangriff auf elfjährigen Bub: Prozess beginnt
- Auf Bub (12) eingestochen: Mann wegen versuchten Mordes angeklagt
- Notoperation rettet 11-Jährigen nach Messerattacke
- Messerattacke auf Kind in Vilshofen: Haftbefehl gegen Nachbarn
- Bub darf Klinikum nach Messerattacke bald verlassen
- Niedergestochener Bub wird im Internet zum Spielball von Hetze

In Deutschland glaubte er an ein Video, das ihn nackt und kiffend zeigte. Schuld- und Schamgefühle führten wohl dazu, dass ihm das Video nicht mehr aus dem Kopf ging und er schließlich sogar glaubte, die unter ihm wohnende Mutter von zwei Kindern habe das Video verbreitet. Eine "verminderte Steuerungsfähigkeit", so die Gutachterin, könne nicht ausgeschlossen werden. Der Angeklagte sagte nichts zur Tat und den Beweggründen.

Bub kann bis heute nicht zur Schule gehen

Am Donnerstagnachmittag erfolgten die Plädoyers – nichtöffentlich. Das sieht das Gesetz so vor, wenn Teile des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten. Das war der Fall, als der heute 12-Jährige aussagte. Dieser leidet bis heute unter der Tat, kann nicht zur Schule gehen, befindet sich in Behandlung.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte heimtückisch gehandelt hat, heißt es in einer Presserklärung des Gerichts. Sie forderte, den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren zu verurteilen.

Verteidigung: Kein Mordmerkmal

Der Nebenklagevertreter hat sich diesem Antrag angeschlossen, sieht aber zudem auch
niedrige Beweggrunde als gegeben an.

Die Verteidigung ist der Meinung, es liege kein Mordmerkmal vor, zudem habe der Angeklagte freiwillig die weitere Tatausführung aufgegeben; sie forderte wegen Rücktritts vom Mord- bzw. Tötungsversuch eine Verurteilung lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Sofern das Gericht einen versuchten Totschlag annehme, forderte die Verteidigung eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten. Sofern das Gericht einen Mordversuch bejahe, forderte die Verteidigung eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren.

Die Urteilsverkündigung ist für den 17.Juni vorgesehen.

− hr

Mehr dazu lesen Sie am Freitag kostenlos mit PNP Plus und im Vilshofener Anzeiger am Online-Kiosk.