Kaum ist es freigelegt, wird es wieder verschwinden: Ein Patrizierhaus aus dem 13. Jahrhundert ist bei Ausgrabungen am Angerl zum Vorschein gekommen. Noch sind die rund 800 Jahre alten Wände des einst protzigen Turms auf dem Areal neben dem Parkplatz an der Stadtmauer in Bad Reichenhall zu bestaunen. Doch in wenigen Tagen rücken die Bagger an, um die geplanten Wohngebäude auf dem Grundstück zu errichten.
Die dicken Steinquader des alten Gemäuers, die bis zu zwei Tonnen wiegen dürften, deuten darauf hin: Im Mittelalter ist eine wohlhabende Familie dort ein- und ausgegangen. "Nur sehr reiche Menschen konnten sich damals ein solches Gebäude leisten", erklärt Stadtheimatpfleger Dr. Johannes Lang. "Das war ein Statussymbol, wie wenn heute jemand fünf sündteure Autos in der Garage stehen hat."
Die Wände des Gebäudes sind oben rund 80 Zentimeter breit, das Fundament bis zu anderthalb Meter, beschreibt Grabungsleiter Dr. Thomas Beckh den Fund. Damit sind die Wände fast so dick wie die einer Burg.
800 Jahre lang bestand das Fundament nahezu unbeschädigt. Lang vermutet, dass die Familie, die in dem protzigen Gebäude lebte, Anteile an der Saline hatte oder durch den Salzhandel reich wurde.
Der Patrizierturm an dieser exponierten Stelle war eine Überraschung, selbst für den Heimatpfleger: "Uns war klar, dass wir dort irgendetwas finden", sagt Lang. Der Innenstadtbereich von Bad Reichenhall ist im Bayerischen Denkmal-Atlas rot markiert, dort sind also zum Beispiel alte Siedlungen vorhanden. "Das ist seit langer Zeit mal wieder eine gute Möglichkeit, die Stadtgeschichte zu ergänzen", sagt Lang begeistert.
Der Heimatpfleger war davon ausgegangen, dass das Gelände, auf dem bis vor wenigen Jahren noch ein Autohaus stand, all die Jahrhunderte lang ein Anger gewesen war, also als freie Weidefläche und Obstgarten genutzt wurde. Nun belehrt ihn der Fund eines Besseren.
− kke
Mehr dazu lesen Sie am 22. April im Reichenhaller Tagblatt/Freilassinger Anzeiger.
Ein Video von der Fundstelle sehen Sie hier (Kamera: Wenzel):
