Nachfahre von Franz Liszt
Antoine Wagner verbindet seine Kunst mit der Musik seines Ahnen

12.07.2022 | Stand 21.09.2023, 3:57 Uhr
Sabine Busch-Frank

Antoine Wagner ist Nachfahre des Komponisten Franz Liszt, Ur-Urenkel Richard Wagners. Sein aktuelles Kunstprojekt hat mit der Musik seines Ahnen zu tun – die einzige Vorführung ist am Donnerstag im Festspielhaus Erl zu sehen. −Foto: Thomas Birett

Antoine Wagner bezeichnet sich als "civis mundi", als Weltbürger. "Ich habe eine deutsche Mutter, einen französischen Vater und bin in Amerika geboren", lacht er und wechselt kurz mal die Sprache für ein paar Worte zu seiner kleinen Tochter. Sicher hängt es damit zusammen, dass er überall und nirgends zuhause ist, wenn er glaubhaft versichert, keinen Schaden durch seine familiäre Herkunft erlitten zu haben. Er ist Nachfahre von Franz Liszt, Ur-Urenkel Richard Wagners und der Sohn von Eva Wagner-Pasquier, die einige Jahre zusammen mit ihrer Halbschwester Katharina die Festspiele leitete. "Aber ich habe ja nie länger in Deutschland gelebt. In Paris, wo ich aufgewachsen bin, ist Film das dominante Medium. So habe ich vielleicht gar nicht mitbekommen, was mein Familienname hier auslöst", zuckt er die Achseln. "Ich habe meinen Doppelnamen vor allem deswegen verkürzt, weil er so kompliziert auszusprechen ist für die englische Zunge. Ich laufe in Amerika unter so was wie ,Toan Wägner‘, in Tirol als Anton."

Künstlerisch beschäftigt ihn der andere Wagner dennoch. Diesen Donnerstag führt er ein Projekt im Festspielhaus Erl auf, das sich der "Parsifal"-Partitur annähert. Weil er dort in der Nähe ein Atelier hat, wollte er die Corona-Phase zu nutzen, um ein Video auf der leeren Bühne des Festspielhauses zu drehen. Mit Antoine Wagners Anfrage kam das Projekt in Schwung.
Von der Vision eines unmöglichen Waldes, seines "impossible forest" ist Wagner schon länger fasziniert. Es ist ein "chamäleonisches Werk", wie er findet, begleitet ihn in verschiedenen Formen. So stellt er beispielsweise digital Bäume zusammen, die in der Natur nicht nebeneinander existieren könnten und macht zugleich auf die Fragilität unseres Ökosystems aufmerksam.

In Erl ergänzen eine Story und das aufwendige Setting mit 77 Orchestermusikerinnen und Musiker seine Fotografien und Videos. Dazu kommt Musik aus Wagners Parsifal-Vorspiel. "Als der Dirigent Beomseok Yi das erste Mal zu mir kam, hatte er die ganze Partitur des Parsifal dabei, ich weiß nicht, was er erwartet hat!", lacht Wagner. "Da saß ich dann, mit einer Farbpyramide und Skizzen zu jeder Instrumentengruppe. Aber wir haben am Ende eine so fruchtbare Zusammenarbeit gefunden, das war unglaublich." Letztlich werden nur 15 Minuten des Vorspiels zum 1. Akt erklingen, Instrumentengruppe für Gruppe. "Wir haben die Musik aus der Vertikale geholt und quasi horizontal ausgelegt", erzählt Wagner. "Mich hat interessiert, ob das wie eine Probe klingt oder wie etwas Neues. Und es klingt interessanterweise ganz nah und modern."

Aber Wagner belässt es als bildender Künstler, der aus interdisziplinärer Leidenschaft heraus arbeitet, nicht bei dem Klang-Experiment. "Ich will nicht zu viel verraten, aber ich arbeite ja immer mit verschiedenen Medien wie Video, Sound, Skulptur, Performance und Foto. Das ist wie mit meinen drei Sprachen: Ich bin postkonzeptuell, will mich nicht einzwicken lassen. Meine Rolle ist vielmehr: ein Übersetzer von Natur in Kunst zu sein."

Der Titel "Atem" nimmt dabei nur in zweiter Hinsicht Bezug auf die weltweite Corona-Atempause und den Sauerstoff als Produkt der Bäume. ",Atem‘ ist auch ein Akronym von ,Meta‘", erzählt Wagner. Dieses "dazwischen", in dem das Zusammenspiel zwischen Natur und Mensch angesiedelt ist, bildet für ihn die inhaltliche Klammer seiner Arbeit.

Seine Sorge um die Natur hat ihn übrigens auch im privaten Bereich neue Wege beschreiten lassen: "Ich war noch vor zwanzig Jahren mit jährlich über 100 Flügen dabei, jetzt versuche ich, viel länger an einem Ort zu bleiben, fliege vielleicht noch acht bis zehn Mal im Jahr und nicht mehr innerhalb Europas. Dieser neue Rhythmus des Reisens ist übrigens sogar angenehm, es fühlt sich an wie eine Kadenz!"

Sabine Busch-Frank

Die Vorstellung von "Atem" in Erl findet nur ein einziges Mal statt: am Donnerstag, 14. Juli, um 19 Uhr im Festspielhaus, derzeit sind noch Karten erhältlich. Digital wird das Projekt unter www.impossibleforest.com weiterleben.