"Systemsprenger"-Schauspielerin
An Tom Hanks’ Seite: Helena Zengel in "Neues aus der Welt"

09.02.2021 | Stand 20.09.2023, 6:11 Uhr
Sascha Rettig

Für ihre Rolle an der Seite von Tom Hanks wurde Zengel für den Golden Globe nominiert. −Foto: Netflix

Das, wovon andere ein Leben lang träumen, hat Helena Zengel im Schnelldurchlauf erreicht.

Vor zwei Jahren noch mischte die inzwischen Zwölfjährige mit ihrer Hauptrolle im Wettbewerbsbeitrag "Systemsprenger" die Berlinale auf: als reichlich wildes Mädchen, das seinen schwierigen Lebensumständen und der Sehnsucht nach Zuneigung mit unberechenbaren Wutausbrüchen begegnet.



Wie kraftvoll ihr Spiel dabei war, sprach sich schnell bis nach Hollywood herum, und das bescherte dem Nachwuchstalent schließlich einen unerwarteten Karrierequantensprung: Von Regisseur Paul Greengrass ("Bourne"-Filme) wurde sie im Western "Neues aus der Welt" besetzt – in der zweiten Hauptrolle neben Tom Hanks. Und als wäre das nicht genug, wurde kürzlich verkündet, dass Zengel für ihre Darstellung für einen Golden Globe nominiert wurde.

Zengel spielt ein Kind deutscher Einwanderer



In den ersten Sekunden ihres Hollywood-Debüts scheint die Schülerin aus Berlin an "Systemsprenger" anzuknüpfen. Das Mädchen schreit, wehrt sich und ist für einen Augenblick kaum zu bändigen, als es durch einen Zufall von Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks) in der Wildnis aufgelesen wird. Wie sich herausstellt, heißt das Mädchen Johanna und wurde vor einigen Jahren von Männern der Kiowa, einem Stamm amerikanischer Ureinwohner, entführt und dann bei ihnen aufgenommen. Nun aber wurden die Kiowa im Konflikt mit den Weißen umgebracht.

Eigentlich war Johanna aber das Kind deutscher Einwanderer im Hill Country von Texas. Nachdem ihre Familie einst beim Überfall durch die Kiowa ermordet wurde, sind jetzt nur noch ein Onkel und eine Tante am Leben. Und Kidd, der ein paar Jahre nach dem Bürgerkrieg eigentlich von Ort zu Ort zieht, um den Menschen die Nachrichten aus den Zeitungen vorzulesen, entscheidet sich, Johanna zu ihren Verwandten zurückzubringen – und nimmt dafür einen Hunderte Meilen langen Weg auf sich.

Ursprünglich eine Kino-Produktion



Obwohl der Film jetzt bei Netflix erscheint, war er ursprünglich für das Kino produziert. Das sieht man ihm auch immer wieder an, vor allem bei den Aufnahmen der weiten, wilden, unwegsamen Landschaft im Breitbildformat. Dabei funktioniert "Neues aus der Welt" recht ordentlich als Western, der bei der beschwerlichen, langen Reise durch unwirtliches Terrain der Texas-Prärie nicht nur mit Schießereien, Verfolgungen, brenzligen Situationen und rauen Typen in rauen Kleinstädtchen aufwartet. Nebenbei lässt er auch Themen einfließen wie die Gewaltspirale im Kampf um das Land zwischen Siedlern und Ureinwohnern. Im Kern aber geht es um das ungleiche Duo: beides traumatisierte Seelen, die mit den Erschütterungen ihrer schmerzvollen Vergangenheit konfrontiert werden und darüber zueinander finden.

Hanks tritt dabei verlässlich gut auf. Vor allem Zengel meistert ihre Aufgabe neben dem doppelten Oscar-Preisträger beachtlich: Ihr Spiel ist stark, körperlich, sensibel und trägt auch ohne viele Worte, dafür aber in den Blicken Emotionen. Da wird es eher zur Nebensache, dass die gradlinige Dramaturgie dieses Roadmovies zu Pferd nicht sonderlich überraschend ist. Von Anfang an weiß man im Grunde, wohin die (innere) Reise für geht. Trotzdem folgt man den beiden strauchelnden Seelen gern auf ihrem Weg – und bleibt nach dem Abspann neugierig zurück. Wohin es Zengel – ob mit oder ohne Golden Globe – nach ihrem tollen Auftritt wohl als nächstes katapultiert?

Sascha Rettig

"Neues aus der Welt" erscheint am Mittwoch, 10. Februar, auf Netflix.