Kiel
Abenteuer erleben bei den Wikingern in der Kieler Bucht

26.05.2017 | Stand 21.09.2023, 0:09 Uhr

Die mit Reet bedeckten Dächer von Haithabu locken Besucher schon von weitem in das rekonstruierte Wikingerdorf an die Schlei. − Fotos: Brodschelm

Nicht gerade das typische Reiseziel für Bayern ist Schleswig-Holstein. Vor allem Familien zieht es im Sommer eher in den Süden. Bairisch hört man an der Ostsee selten – schade eigentlich. Denn gerade an der Kieler Bucht gibt es viel zu entdecken für Groß und Klein.

Für abenteuerlustige Kinder ist Haithabu ein Highlight. Geheimnisvolle Runen schnitzen, Thors Hammer gießen oder Bernstein schleifen – Geschichte wird hier lebendig. Neben den rekonstruierten Wikingerhäusern, in denen im Sommer echte Wikinger und ihre Familien ihren Alltag verbringen, bietet das angrenzende, sehr moderne Museum auch für Erwachsene viel Input.

Die Zeitreise beginnt bereits am Parkplatz auf dem Weg zum Museum, das vor den Toren der Stadt Schleswig liegt. Hier an der Schlei entstand vor über tausend Jahren eines der bedeutendsten Handelszentren Nordeuropas. Der Blick vom Wall ist wie ein Blick durch eine Zeitbrille.

Den Wall haben die Wikinger zum Schutz halbkreisförmig um die Anlage errichtet. Heute kann man darauf spazieren gehen und gelangt so zum historischen Freigelände. Schon von weitem sieht man die mit Reet bedeckten Dächer der sieben rekonstruierten Wikingerhäuser. Davor grasen alte Rinder- und Schafrassen.

In Haithabu selbst ist man dann mitten drin in der Wikingerzeit: Männer mit wilden Mähnen und zu Zöpfen gebundenen langen Bärten versetzen die Kinder in großes Staunen. Dazwischen wuseln kleine und große Kinder, in weiße, grüne und braune Leinen gekleidet, barfuß durch die Anlage. Frauen mit langen Kleidern und geflochtenen Haaren schüren Feuer, kochen in Kesseln oder fertigen an uralten Webstühlen Stoffe.

An jeder Ecke wird ein anderes Handwerk gezeigt – mit Werkzeugen aus der Wikingerzeit. Der Holzdrechsler zum Beispiel zieht erst verwunderte und dann bewundernde Blicke auf sich. Über ein riesiges Seilsystem wird dabei eine Achse zum Drehen gebracht – angetrieben nur mit einem Fußpedal.

Gleich daneben werden Pfeile hergestellt, die man in einer kleinen Schießanlage ausprobieren kann. Unter Anleitung eines Wikingers darf man mit Pfeil und Bogen auf Holztiere schießen.

Kinder und Jugendliche dürfen am Feuer Fladen backen, filzen, einen Handmixer aus einer Astgabel herstellen oder aus Brennnesseln einen Aufstrich machen, das gefällt auch den Jungs. Genauso wie Mädchen gerne Bernstein schleifen, Thors Hammer gießen und mit Pfeilen schießen.

Für Erwachsene bietet sich aber auch ein ganz anderer Einblick in die Zeit vor tausend Jahren. In den Häusern wird nicht nur das Leben der Wikinger detailgetreu dargestellt, auch interessante Infos über den Bau eines solchen Hauses finden sich. Themenführungen und Erlebnisprogramme sind ebenfalls gefragt: angefangen von Sagen und Mythen der Wikinger bis hin zur damaligen Bestattungskultur.

Das Wikingermuseum, das sich einen Kilometer weiter befindet, ist zwar 2017 wegen Umbauten geschlossen, dafür gibt es in diesem Jahr eine neue Attraktion auf dem historischen Freigelände: eine archäologische Ausgrabung. Mit ihr wird die über hundertjährige Forschungsgeschichte fortgeschrieben. Nur wenige Meter von den Wikingerhäusern entfernt nehmen Archäologen unter den Augen der Besucher eine 1939 abgebrochene Ausgrabung im Flachgräberfeld wieder auf. Im Grabungszelt ist ein Besucherbereich eingerichtet worden. Von hier aus kann man den Archäologen bei ihrer Arbeit zuschauen und sich an Infotafeln umfassend über die Grabsitten im wikingerzeitlichen Haithabu informieren.

Hat man genug vom Wikingerleben, kann man sich mit den Kleinen eine spielerische Auszeit in Schleswig gönnen. Im Stadtpark Königswiesen – direkt an der Bucht gegenüber von Haithabu – gibt es einen Wikingerspielplatz mit Klettertürmen, Balancierstangen und Schaukeln in Form von Wikingerschiffen oder riesigen, hohlen Holzfässern.

Übrigens: Auf diesem großflächigen Freizeitgelände finden einmal im Jahr Ende Juli die Wikingertage statt. Über 450 Rotbärte aus allen Teilen Europas treffen sich hier an einem Wochenende. Gut 20000 Besucher erleben an drei Tagen Schaukämpfe, Bogenturniere, Gaukler- und Feuershows.



INFORMATIONEN

Die Stadt Schleswig (Schleswig-Holstein) liegt an der Schlei, die in die Ostsee mündet. An der historischen Bucht Haddebyer Noor liegt das Wikingermuseum Haithabu. Der seit über neun Jahrhunderten verlassene Ort Haithabu ist gemeinsam mit dem Danewerk das bedeutendste archäologische Bodendenkmal in Schleswig-Holstein.

ANREISEN

Schleswig ist von Kiel aus in nur 45 Minuten per Auto zu erreichen. Kiel bietet sich als Ausgangspunkt für viele Attraktionen entlang der Kieler Bucht an der Ostsee an. Die Anreise von Südostbayern aus dauert mit dem Auto über Hamburg etwa neun Stunden (ohne Pausen).

ÜBERNACHTEN
Wikinger-Campingplatz Haithabu direkt an der Schlei (wenig Luxus, dafür ungewöhnlich schöne Lage) www.campingplatz-haithabu.de
Ferienhaus Krebs an der Kieler Förde in Friedrichsort – familienfreundliches Ferienhaus für bis zu 7 Personen auf 128 Quadratmetern in der Nähe des Olympiazentrums Schilksee, Falckensteiner Strand in der Nähe, ideal für Kinder, da man im flachen Meerwasser nicht sofort den Boden verliert. www.haus-krebs.de

TIPPS FÜR FAMILIEN AN DER KIELER FÖRDE
Freilichtmuseum Molfsee: Viele Attraktionen auf dem beeindruckenden Freigelände für Kinder – etwa ein Spielzeugmuseum, Rundfahrten mit Traktor und Anhänger, Spielplatz mit historischem Karussell, Schiffschaukel und Drehorgel wie einst auf dem Rummelplatz.
Ein Rundgang in der Altstadt Eckernförde zwischen Schleswig und Kiel: Die engen Gassen und farbenfrohen Fischerhäuschen in der Fußgängerzone am Hafen sind besonders schön. Ein Muss: Versteckt im Hinterhof der Frau-Clara-Straße 22 ist die Bonbonkocherei Hinrichs. Bis zu 15 Mal am Tag wird hier kostenlos in der Schauküche gezeigt, wie die süßen Köstlichkeiten hergestellt werden. Unbedingt mitnehmen: Badezeug. Neben dem Hafen liegt der weitläufige Sandstrand mit Spielplatz.

Die Hafenpromenade von Kiel, die Kiellinie. Hier kann man bei einem Fischbrötchen zusehen, wie Kinder Segeln lernen, auf der Fördeschlange den Ausblick genießen und am Außengelände des Aquariums Seehunde beobachten (Fütterung täglich um 10 und 14.30 Uhr).

Der Ort Laboe auf der anderen Seite der Kieler Bucht (am besten mit einer Fähre rüberfahren). Das 85 Meter hohe Marinedenkmal bietet einen schönen Ausblick über die Förde. Am Strand davor kann man ins Innere des U-Boots 995 aus dem Zweiten Weltkrieg klettern, was vor allem Kindern Spaß macht. Insider-Tipp: Wenige Meter weiter ist die "Meeresbiologische Station Laboe" versteckt (Adresse: Strand 1; Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet). Einfach klopfen und schon bekommt man eine Führung durch die Unterwasserwelt der Ostsee. Das Nordende des Strandes gehört Kitesurfern. Hier kann man gut Drachen steigen lassen − windig genug ist es das ganze Jahr über.

KLEINES OSTSEE-ABCMoin: Das nordische Grüß Gott; moin-moin dagegen wird hier seltener gesagt.
Brötchen: Semmel
Lütten: Kinder
Schietbüdel: Kosewort für Kinder (kleiner Scheißer)
krüsch: wählerisch beim Essen, also hoaglig
schnacken: reden

Redakteurin Tanja Brodschelm reist seit Jahren auf eigene Faust mit ihrer Familie an die Ostsee. Haithabu ist dabei immer Pflicht, auch wenn die Türstöcke der angeblich großen Wikinger sehr niedrig waren.