"Secondhand kann auch cool sein"

Stefanie Seidl hält nichts von Billig-Kleidung: Sie schwört auf Weitertragen und Mode "Made in Eggenfelden"

06.07.2021 | Stand 06.07.2021, 4:00 Uhr

Eigene Kreationen in der Hand, von Secondhand-Ware umgeben: Stefanie Seidl in ihrem Modeladen in Eggenfelden. −Foto: Schlierf

Eggenfelden. "Kapstok" ist Niederländisch. Auf Deutsch heißt das "Garderobe". Für Stephanie Seidl bedeutet das Wörtchen aber noch viel mehr: die Erfüllung eines langgehegten Traums und die Chance, die Welt der Mode ein kleines Stückchen besser zu machen. Kapstok hat die 34-Jährige nämlich ihren Laden genannt, wo sie Secondhand-Mode und neue Kleidung anbietet, die der eigenen Mini-Schneiderei entstammt.

Der Weg zum eigenen Modegeschäft begann für die Jungunternehmerin 2018 mit einem Shopping-Boykott. "Ich habe gemerkt, dass ich immer mehr gekauft habe, was ich eigentlich gar nicht gebraucht habe. Der Kleiderschrank ist ja bei den meisten voll. Eigentlich hat man ja genügend. Aber dadurch, dass alles so günstig ist, wird man einfach verführt. Und das wollte ich nicht mehr", erklärt sie.

Vom Shopping-Fasten zum eigenen Mode-Geschäft

Außerdem hatte sie sich mit den Herstellungsbedingungen von Billigmode befasst und sich gefragt, warum diese Kleidung überhaupt so günstig sein kann. Das habe sie so erschreckt, dass sie sich ein shoppingfreies Jahr für sich vornahm. Das Thema faire Mode hatten die großen Bekleidungsketten damals noch nicht für sich entdeckt und so leistete Stefanie Seidl diesbezüglich Aufklärungsarbeit bei Freunden, betont aber auch, dass jeder selbst entscheiden müsse, was und wo er einkaufe. Ihr selbst aber sei der Verzicht auf diese so genannte Fast Fashion in diesem Jahr nicht schwer gefallen, denn "wenn ich weiß, wie die Sachen hergestellt werden, ich hätte gar keine Freude daran gehabt".

Danach gönnte sie sich wieder gelegentlich neue Stücke – wobei sie neu nicht immer waren. Häufig orderte sie gebrauchte Kleidung über das Internet oder Apps. Wenn sie das reale Shopping-Erlebnis lockte, fuhr sie zu einem der in der Region rar gesäten Secondhand-Geschäften. Doch begeistert war sie davon nicht immer: "Diese Läden sind oft sehr gruschig. Mein Schockerlebnis war eine alte Adidas-Hose mit Knöpfen an der Seite. Die war wirklich nicht gut beieinander, die 35 Euro kosten sollte."

Dabei hatte die junge Frau eine ganz andere Vorstellung davon, wie gebrauchte Mode weiterverkauft werden sollte, denn: "Secondhand kann auch cool sein." Also setzte sie ihre Idee kurzerhand selbst um. Den Anfang machte sie mit dem überzähligen Inhalt des eigenen Kleiderschranks und bat auch Freundinnen, es ihr gleichzutun. Ware war also da. Anfangs begann Stefanie Seidl von zu Hause in Simbach bei Landau aus, die Stücke via Internet zu verkaufen. Dort wurde es dann nicht nur schnell zu eng, die Kunden hätten die Stücke auch häufig gern anprobiert.

So kam ihr Mann, dessen Unterstützung der dreifachen Mutter immer sicher sei, wie sie betont, auf die Idee, einen Kellerraum seiner Eltern in Arnstorf zu einem kleinen Laden umzubauen. Die waren dabei und die Idee wurde im März 2019 Wirklichkeit. Anfangs einmal im Monat, später wegen des großen Erfolgs einen weiteren Abend, konnten die Kunden dort stöbern und einkaufen. Das ging – trotz ihrer drei Buben –, weil sich die gelernte Erzieherin ihren Hauptberuf als Familienbetreuerin recht flexibel einteilen konnte.

Das Liebäugeln mit einem eigenen Laden aber blieb. Die passende Örtlichkeit fand sie im Grabenweg 6 in Eggenfelden. Die Ausstattung baute sie mit tatkräftiger Unterstützung grundlegend um, legte auch hier viel Wert auf Nachhaltigkeit und Upcycling, und eröffnete voller Tatendrang im Januar 2020. Doch noch ehe es richtig losgegangen war, kamen Corona und drei Lockdowns. Nachdem der erste Schock verdaut war, besann sich die Gründerin auf ihre Anfänge als Secondhand-Verkäuferin: die sozialen Medien. Abgesehen vom Online-Shop kreierte sie Outfits, die sie und ihr Team via Instagram und Facebook mit ihren Fans teilten. Die Looks aus zweiter Hand oder die Neuware aus Eggenfelden kamen dann – plastikfrei verpackt – per Post, Lieferung oder Abholung zum Kunden.

Um große Profite geht es Stefanie Seidl ausdrücklich nicht. Klar muss sie die Löhne ihrer Mitarbeiter und sämtliche weitere Kosten von den Einnahmen bestreiten und auch noch etwas verdienen, aber ihr ist der Slowfashion-Gedanke genauso wichtig. Vielleicht hat es sie auch ein wenig gereizt, zu beweisen, dass man – zumindest im kleineren Maßstab – Mode komplett in Deutschland produzieren kann, ohne dass sie gleich unerschwinglich wird, denn sie ist auch unter die Designerinnen gegangen.

Expansion nach Passau steht bevor

Parallel zum Aufbau des Secondhand-Verkaufs setzte sie sich immer wieder an die Nähmaschine, dabei gehörte das zunächst nicht gerade zu ihren Hobbys. "Ich habe für die Zwillinge schon immer wieder selbst gemachte Sachen von anderen gekauft, und mich irgendwann doch einmal hingesetzt, Youtube-Videos geschaut und es selbst probiert. Und es hat funktioniert." Sie blieb dran und fand Spaß am Schneidern. Später fand das neue Hobby auch Eingang in den Secondhand-Verkauf. Los ging es mit Haarbändern, inzwischen gibt es eine ganze Wand mit eigenen Kreationen, darunter Wollröcke, Radlerhosen, Shopper und Kimonos mit dem Label "Kapstok".

Alle Stücke entstehen in kleiner Stückzahl, was Aus ist, wird nachproduziert. "Wir suchen vor allem Stücke aus, wo wir Einheitsgrößen anbieten können, um Überproduktionen zu vermeiden. Auch das gehört zur nachhaltigen Produktion", betont die Gründerin.

In Zukunft aber werden sie und ihre fleißigen Näherinnen doch etwas in die Vorproduktion einsteigen müssen, denn Kapstok wird sich verdoppeln. "Wir werden im August einen zweiten Laden in Passau eröffnen", verrät Stefanie Seidl voller Vorfreude und Stolz, dass sich ihre Geschäftsidee, die anfangs nicht wenige als Hausfrauen-Hobby abgetan hatten, doch durchgesetzt hat.