1400 Dollar Corona-Hilfe aus den USA

"Ich finde, ich habe es verdient": Reichenhaller Rentner bekommt Brief und Scheck von Joe Biden

14.06.2021 | Stand 20.09.2023, 2:08 Uhr

Wilhelm Oesterling zeigt Bidens Brief. Besondere Post hat er auch im April bekommen, als Ministerpräsident Söder zum 85. Geburtstag gratulierte – aber ohne Scheck. −Foto/Repros: Corinna Anton

Bad Reichenhall. Post aus den USA bekommt Wilhelm Oesterling immer wieder mal. Über diesen Brief war er aber doch überrascht: Nicht nur, dass das Weiße Haus in Washington der Absender war und die Unterschrift von Präsident Joseph R. Biden Jr. das Schreiben zierte. Es lag auch noch ein Scheck über 1400 US-Dollar bei. Der Reichenhaller Rentner kam in den Genuss der amerikanischen Corona-Hilfe.

"My fellow American", beginnt Biden seine Zeilen an Oesterling, der dieses Frühjahr seinen 85. Geburtstag gefeiert hat. Amerikaner ist er nicht, war er auch nie, aber er ist beruflich wie privat weit herumgekommen in seinem Leben (wir berichteten mehrmals). Die 1400 Dollar aus den USA – umgerechnet sind es derzeit etwa 1150 Euro – habe er durchaus verdient, fand er, nachdem er eine Weile über den Brief und den Scheck nachgedacht und nach einer Erklärung gesucht hatte.

Für Tochterfirmen von US-Konzernen gearbeitet

Der gebürtige Bochumer lebt seit etwa 20 Jahren in der Kurstadt, seit dem Ruhestand. Er ist gelernter Industriekaufmann, hat sich in jungen Jahren für Fremdsprachen interessiert und mehrere Jahrzehnte für Tochterfirmen von US-Konzernen gearbeitet, einige Jahre auch direkt in New York, aber meist von Brüssel, Prag und München aus. Unter anderem war Oesterling vor etwa 50 Jahren für zehn Jahre bei Pfizer, das inzwischen jeder als amerikanischen Partner von Biontech bei der Impfstoffherstellung kennt. Impfstoff hat Oesterling nicht entwickelt, sondern als Geschäftsführer ein Büro in München geleitet. In dieser Zeit war er auch zum ersten Mal in New York – daran denkt er gerne zurück. Aus den USA bekommt er heute eine "sehr kleine Rente", daneben eine gute deutsche Rente. Eine "Corona-Notleidender" sei er jedenfalls nicht, versichert er.

Den Scheck des US-Präsidenten hat er trotzdem schon bei der Bank eingelöst. Die Direktzahlung von 1400 Dollar pro Person ist laut Bidens Brief ein wichtiger Bestandteil des US-amerikanischen Corona-Rettungsplans. Sie geht an "die meisten Amerikaner" – Oesterling würden sie gar nicht zustehen, hat er recherchiert, nicht einmal wenn er Amerikaner wäre oder in den USA leben würde. Das hat mehrere Gründe, unter anderem hat er zu viel verdient, um von der Hilfszahlung zu profitieren.

Das Geld zurückzuschicken sei ihm aber nicht in den Sinn gekommen, sagt er und verweist auf seine Verdienste für amerikanische Unternehmen. "Ich habe viel für diese Firmen getan und davon hat auch der amerikanische Staat profitiert." Andererseits, überlegt er dann im Gespräch mit der Heimatzeitung, könnte er vielleicht einen Teil für Menschen hierzulande spenden, denen es schlecht geht und die keine Hilfen bekommen haben: "Das wäre ein guter Kompromiss", findet er und fügt hinzu: "Vielleicht habe ich es verdient, aber nicht in dieser Höhe."

Zumal er auch nichts Besonderes weiß, wofür er das Geld brauchen könnte. Oesterling erzählt von seinem erfüllten Berufsleben mit "vielen glorreichen Taten", wie er rückblickend sagt. Über seine Erfahrungen in deutschen und US-amerikanischen Firmen hat er auch ein Buch geschrieben, das ihm nun wieder eingefallen ist: "Geschäftserfolg – ein amerikanisches Privileg? US-Erfolgsrezepte, und wie man sie nutzt" ist im Jahr 1971 erschienen, einzelne Exemplare findet man heute noch im Internet.

Aber auch im Ruhestand hat er viel erlebt und unternommen, hat sich immer durch Bewegung fit gehalten und macht das auch heute noch. Vor zwei Jahren hat er sich noch als ältester Fahrgast in die Bobbahn am Königssee gewagt, drei Jahre davor, mit 80, ist er 80 Kilometer gewandert. Während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr ist er die Treppen in seinem Haus so oft nach oben gestiegen, bis er die Höhenmeter einer Tour auf den Predigtstuhl zusammenhatte, verteilt auf mehrere Wochen allerdings, weil nun manches doch nicht mehr so geht wie mit 70 oder 80.

Gegen Covid-19 ist Oesterling inzwischen zweimal geimpft – mit Moderna, nicht mit Pfizer. Gefreut hat es ihn trotzdem, dass sein ehemaliger Arbeitgeber nun mit einem deutschen Unternehmen Pionierarbeit in Sachen Corona-Impfung geleistet hat. Er hofft, dass er mit dem Impfpass noch zwei große Fernreisen unternehmen kann. Er will noch einmal nach Asien, schwankt zwischen Singapur und Dubai. Und auch noch einmal nach New York. Vielleicht kann er sich dann in den USA auch bedanken für "einen der ungewöhnlichsten Briefe, die ich je bekommen habe".