Das Fest der Liebe verläuft bei vielen alles andere als harmonisch. Nicht selten endet es in Enttäuschung, Streit und Verbitterung. Diplom-Psychologin Sabine Lindner von der Klinik Angermühle, einer psychosomatischen Einrichtung in Deggendorf, erklärt, warum das so ist und wie man Weihnachten retten kann.
Ist Weihnachten ungesund?
Sabine Lindner: Das ist eine spannende Frage. Für die einen ist Weihnachten gesund, für die anderen nicht. Das hängt stark davon ab, welche Erinnerungen man damit verbindet. Es kann das schönste Fest im Jahr sein und eine Möglichkeit, mit der Familie zusammenzukommen. Es kann aber auch ein Fest der Traurigkeit oder Einsamkeit sein. Und oft ist es einfach nur Stress.
Was sind die Ursachen?
Lindner: In erster Linie sind es zu hohe Erwartungen. Beispielsweise an ein harmonisches Miteinander, an Anerkennung für ein gutes Essen, an Dankbarkeit für Geschenke... Erfüllen sich die Erwartungen nicht, macht sich Enttäuschung breit, Vorwürfe und Streit sind die Folge.
Sind zu hohe Erwartungen wirklich der einzige Auslöser für Konflikte?
Lindner: Nein. Weihnachten ist leider für viele auch das Fest der emotionalen Defizite. Beim Gedanken an das Fest der Liebe reißen Wunden auf. Man wird sich wieder bewusst, was in der Familie gefehlt hat oder fehlt. Viele Eltern versuchen, versäumte Zeit mit Geschenken wieder gut zu machen. Sie wollen zumindest einmal im Jahr das Gefühl einer heilen Welt haben und sich einreden, es sei alles gut. In Wirklichkeit fühlen sich aber immer mehr Menschen innerlich immer leerer. An Weihnachten brechen diese Gefühle dann wieder heraus. Deshalb empfindet so mancher letztendlich das Fest der Liebe sogar als Lüge.
Wie kann man denn Weihnachten dann überhaupt überstehen?
Lindner: Um ein gesundes Weihnachten zu verbringen, sollte man seine hohen Erwartungen zurückschrauben und sich von der Vorstellung des perfekt inszenierten und harmonischen Festes verabschieden. Gelassenheit ist angesagt. Es wäre gut, potenzielle Streitthemen vorher anzusprechen. Anstatt beleidigt herumzusitzen, sollte man lieber das Gespräch suchen und auch offen sagen, wie man sich fühlt. Das hilft in den meisten Fällen. Funktioniert das nicht, sollte man eine gewisse Distanz schaffen. Und wenn es nur ein Spaziergang ist, um Dampf abzulassen. Wer positive Erfahrungen machen will, muss halt vielleicht auch mal aus alten Mustern und Traditionen ausbrechen und innerlich kreativ denken.
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