TH Deggendorf
Studenten räumen mit Klischees auf

30.01.2018 | Stand 18.09.2023, 2:32 Uhr

Syrer und Deutsche kochten gemeinsam – und erzählten sich dabei viel übereinander. − Foto: Holzapfel

Das zweite Semester im Welcome@DIT-Programm der Hochschule Deggendorf geht nun zu Ende. Zum letzten Veranstaltungsabend kamen deshalb extra viele Studenten, jeweils zusammen mit ihrem "Paten-Flüchtling". Das interkulturelle Training beschäftigte sich ganz explizit damit, Barrieren und Vorurteile abzubauen. Dabei gab es keine unangemessenen Fragen, jeder konnte erzählen und sich verständigen, und zwar nicht nur auf der allgemeinen Ebene. Es wurden auch endlich die Fragen geklärt, die jedem so auf dem Herzen brennen.

Zum Beispiel: "Wie ist es, wenn man in Syrien heiraten möchte?" Da gebe es zwei Möglichkeiten, entweder kenne man das Mädchen schon oder die Eltern machen das untereinander aus, erzählte Tarik. Mitreden müssen die Eltern auf jeden Fall. Auch das Thema Mitgift kam zur Sprache und es wurde in die Runde gefragt, wie das denn sei mit Frauen und dem Führerschein. Die Antwort war ganz banal: Natürlich dürften die Frauen in Syrien ihren Führerschein machen. Allerdings werde das auf dem Land allgemein nicht so streng genommen. Hauptsache der Vater sieht, dass man fahren kann – dann bringt man auch schon mal als Kind das Essen mit dem Auto.

Der Humor und die Offenheit der neuen Mitstudenten kommt gut an. Einer berichtete, in Syrien sei es ganz normal, sich untereinander gut zu verstehen, da könne man schon mal drei Tage auf jemandes Couch schlafen, bevor man überhaupt gefragt wird, warum man eigentlich gekommen ist.

Ein weiteres Thema waren Gestik und Mimik. Zwischen Syrern und Deutschen gebe es oft Missverständnisse, weil manche Gesten vom Gegenüber einfach falsch aufgefasst werden würden. Zum Beispiel signalisieren wackelnde Augenbrauchen im Syrischen "Bitte sag nein". Genauso wie ein schnelles "tz", das bei uns eher abwertend aufgefasst wird, unter Syrern dem Kopfschütteln gleichgesetzt wird.

Ungewöhnlich war für einige Syrer auch das Thema Familie in Deutschland. Für sie ist es unverständlich, dass es diese engen Beziehungen einfach oft gar nicht gibt. "Meine Familie besteht aus 13 Personen, elf Kinder und meine Mutter und mein Vater", berichtete Jalal. Und das sei sogar noch eine kleine Familie in seiner Heimat. In Deutschland begegne ihm so etwas nicht. Es wäre auch nicht einfach gewesen, wenn alle mitgekommen wären, für 13 Leute eine Wohnung zu finden. Positiv überrascht war er aber von der Sicherheit: "Die Sicherheit ist besser. Und die Gesundheit ist tausendmal besser."

Einige der Studenten aus Syrien finden es schade, wie wenig die Deutschen wirklich über Syrien wissen. So mancher berichtete von Fragen wie "Habt ihr in Syrien eigentlich Marmelade?" oder "Habt ihr Tomaten?" oder "Trinkt ihr Wasser?".

Zuhören, Kennenlernen, Verstehen – das sei wichtig. Kaum einer könne wissen, was in seinem Gegenüber vorgeht, doch man dürfe nicht alle über einen Kamm scheren. "In Deutschland gibt es komische Menschen und in anderen Ländern auch", stellte Sarah Akhtar, Mitorganisatorin des Abends, fest. "Aber wenn man das generell auf Flüchtlinge bezieht, stimmt es einfach nicht." Festgestellt hat die Studenting, dass durch diese Patenschaften und solche Treffen die Vorurteile der deutschen Teilnehmer nach und nach wegfallen.

Und bei den Syrern stellt sie fest, dass die sich immer wohler fühlen und immer mehr über ihre Kultur reden. "Nach solchen Events habe ich schon das Gefühl, dass es ihnen gut geht und dass sie mit einem besseren Gefühl rausgehen, als sie reingekommen sind."

Einer der Syrer meinte, er sei sehr traurig gewesen, weil er keine Freunde finde, denn ihm und anderen Flüchtlingen erscheinen die Deutschen immer als sehr isoliert und abgekapselt. Sarah und die anderen Studenten konnten ihn überzeugen, dass dem nicht so ist.

Der schönste Moment für Sarah Akhart ist immer nach einer Gruppenaktivität, wenn sich die Syrer dafür bedanken. Ein schöner Abend für alle war auch dieser Kochabend, an dem deutsche und syrische Gerichte zubereitet wurden. Als Vorspeise gab es Pfannkuchensuppe, dann Semmelknödel mit Rahmschwammerlsoße und Capse, ein Reisgericht mit Geflügel, grünen Paprika, gebratenen Cashewkernen und Joghurt, zubereitet unter der Leitung von Omar. Am Ende beglückte Zakareia alle noch mit einer Nachspeise aus seiner Heimat.

Wer mit in diesem Raum war, für den wirkte es nicht wie Deutsche und Syrer, sondern eher wie Menschen mit gleichem Ziel und unterschiedlicher Herkunft. In jeder Ecke wurden Geschichten erzählt, davon, wie schwierig doch Hocharabisch sei im Vergleich zu Hochdeutsch, es wurden Sprichwörter ausgetauscht und Anekdoten aus dem Leben. Schnell war klar, dass viele Vorurteile nicht gerechtfertigt sind.

− hbi