Massing
Ausstellung "Graffl": Vom Dachboden ins Freilichtmuseum

17.10.2022 | Stand 17.10.2022, 12:16 Uhr

Bei der Eröffnung der Ausstellung "Graffl": (von links) Theatermacher Sebastian Goller, Regina Westentanner vom Verein Heimatunternehmen, Fotograf Markus Wagner, Künstler und Journalist Matthias Weigold, Museumsreferentin des Bezirkstags, Mia Goller, und Museumsleiter Timm Miersch. −Foto: hl

Eine außergewöhnliche Ausstellung mit dem außergewöhnlichen Titel "Graffl" hat am Wochenende im Freilichtmuseum in Massing begonnen: in der Marxensölde auf dem Museumsgelände zeigt der Journalist und "Neo-Archäologe" Matthias Weigold Funde aus Dachböden, Schuppen, Kellern, Bauerhöfen, einer Brauerei und sogar einem Rathausdachboden. Die Besonderheit: Jedes ausgestellte Ensemble ist aus Gegenständen gebildet, die zusammen im selben Raum gefunden wurden. "Ich wollte da nichts mischen, das wäre nicht ehrlich gewesen", sagte Weigold bei der Vernissage.

Der Kontakt zwischen dem Münchner, der als Reisejournalist die Welt erkundete und sich insbesondere in Irland "verliebt" hatte, kam auf Initiative von Bezirksrätin Mia Goller und Regina Westenthanner vom Verein "Heimatunternehmen zwischen Isar und Inn" zustande. Mit ins Boot geholt wurde zudem Fotograf Markus Wagner aus Eggenfelden, der dann gemeinsam mit Matthias Weigold auf Tour ging durch die "lost places" in der Region.

Entstanden ist eine teil skurrile, teils auch melancholische Sammlung von Gegenständen, die alle eine ganz eigene Geschichte haben. "Wir waren in alten Häusern, da lag noch eine Brille auf dem Tisch, auf einer alten Zeitung – die Frau, die diese Zeitung gelesen hat, ist schon lange tot", berichtet Weigold, der den Begriff "Neo-Archäologie" erklärt: "Auch Gebäude, die erst vor wenigen Jahren verlassen wurden, sind reiche Fundstätten an Hinterlassenschaften menschlichen Handelns. Es finden sich meist nur ganz banale Gegenstände, das können rostige Werkzeuge sein, alte Möbel – aber auch das alles erzählt Geschichten von Menschen, die einmal hier gelebt haben", sagt er und fügt hinzu: "Die Neo-Archäologie will diese Fundstücke würdigen, indem sie auf Ensembles verdichtet werden – dabei entstehen oft Installationen von erstaunlich kraftvoller und sogar poetischer Intensität."

Und tatsächlich: es werden Lebensgeschichten erzählt in dieser Ausstellung, die manchmal auch überraschend sind. Da fanden sich ausgerechnet am Dachboden einer Frau, die als besonders seriös und moralisch durchaus anspruchsvoll war, ein Buch über "geheime Liebesnächte", darunter lag dann aber gleich der Ratgeber "Die Geschlechtskrankheiten". Aus einem Brauereigebäude stammt das Lohnbuch für Tagelöhner, akribisch wurden Stunden und Bezahlung aufgezeichnet. Ein Stapel Liebesroman-Hefte findet ebenso Platz wie verstaubte Jägermeisterflaschen oder das achtlos weggeworfene Werkzeug einer alten Schmiede.

Bezirksrätin und Museumsreferentin des Bezirks, Mia Goller, sprach von einer "echten Entdeckung". Die Ausstellung sei "wunderbar gelungen und wirklich sehenswert". Museumsleiter Timm Miersch stellte fest, dass diese Ausstellung sehr gut ins Freilichtmuseum passe, denn: "Museumsarbeit bedeutet immer, Geschichte anhand von Gegenständen zu erzählen – und gerade Alltagsgegenstände haben uns oft viel zu sagen."

Die Ausstellung ist für dieses Jahr noch zu sehen bis Montag, 31. Oktober, und dann wieder ab März 2023.

− hl