Fußball ohne Veränderung? – "Das funktioniert nicht"
Nach Grundsatz-Debatte in der PNP: Verbandsjugendleiter Weißmann verteidigt Kurs

09.12.2020 | Stand 19.09.2023, 1:53 Uhr

Scheut sich nicht, für seine Vision von modernem Nachwuchsfußball einzutreten: BFV-Verbandsjugendleiter Florian Weißmann. −Foto: BFV

Der Bayerische Fußball-Verband nennt ihn "Zukunftsmacher": Florian Weißmann, 41 und kinderlos, gibt als Verbands-Jugendleiter die Richtung vor im bayerischen Nachwuchsfußball. Im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse erklärt der Markt Schwabener, warum die Junioren anders als geplant nur eine anstatt zwei Spielzeiten mit Auf- und Abstieg absolvieren, wie Vereine die Jugendkasse füllen könnten und stellt Vorwürfe in Frage.

Der BFV hat die zweite Runde der Junioren offiziell gestrichen, weil die Zeit dafür nicht ausreicht. Die Kinder und Jugendlichen spielen im Frühjahr also ihre Ligen fertig und dann in Ersatzwettbewerben um die Goldene Ananas. Das hat viel Kritik hervorgerufen. Wie stehen Sie dazu?
Florian Weißmann: Das verwundert mich dann doch. Der Plan steht schließlich nicht erst seit heute, sondern ist seit Juni allen bekannt. Wir haben das Konzept im Sommer genau so vorgestellt und dabei gab es keine Gegenstimme. Es wurde ganz bewusst ein Modell festgelegt, das uns im Falle eines späteren Saisonbeginns und einer neuerlichen Unterbrechung – beides ist eingetreten – reagieren lässt: Nur, wenn die erste Spielzeit bis spätestens 25. April 2021 abgeschlossen wird, können wir eine aufstiegsberechtigte Spielzeit zwei spielen. Dazu müssten wir aber im Februar anfangen. Das halte ich für den Nachwuchsbereich als nicht machbar.

Ein Vorschlag von Vereinen war es auch, die Herbstrunde zu annullieren und stattdessen die Frühjahrsrunde mit Auf- und Abstieg aufzuwerten?
Weißmann: Jetzt könnte man natürlich fragen, ob die Mannschaften dieser Vereine im Mittelfeld der Tabelle stehen oder vielleicht sogar absteigen. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen eine sportliche Spielzeit zu Ende bringen und einen zweiten Abbruch in Folge vermeiden. Wir können ja nicht mit einer Saison anfangen und mittendrin sagen: Ach, jetzt brechen wir einfach ab und fangen von vorne wieder an.

Was sagen Sie Vereinen, die aufgrund der Abwertung der zweiten Runde einen massiven Mitgliedereinbruch befürchten?
Weißmann: Dass dieser Fall eintritt, kann ich sehr stark bezweifeln. Über die Hälfte des Jugendspielbetriebs in Bayern findet im nicht-aufstiegsberechtigten Spielbetrieb statt. Der zweite Punkt: Der Massenspielbetrieb findet in Gruppen und Kreisklassen statt, wo nur der geringste Anteil in die höhere Spielklasse aufsteigt. Ob das dann wirklich der Grund sein wird, warum Kinder und Jugendliche aufhören, darf man bezweifeln. Und: Die Hälfte einer Mannschaft kann sowieso nicht aufsteigen, weil sie einen Jahrgang aufrücken. Man stellt hier einen zu großen Vergleich mit dem Herrenfußball an, wo man zehn bis 15 Jahre in einer Altersklasse spielt. Sportlichen Erfolg will jeder, egal ob 7, 12 oder 17 Jahre alt. Aber die Masse, so ehrlich muss man auch sein, spielt nicht um den Aufstieg.

Welche Alternativen ergeben sich, wenn nun die Hallenturniere ausfallen?
Weißmann: Im Sommer haben wir ja auch ein Zeitfenster. Eine Überlegung ist es, ab Mitte Juni den Vereinen die Zeit für Sommerturniere zu geben – vielleicht ist Fußball in der Sonne finanziell sogar attraktiver, als sich im Winter acht Stunden lang in eine Halle zu setzen. Wir als Verband werden dafür Freiräume im Sommer schaffen. Diese Möglichkeit gäbe es aber nicht, wenn man eine zweite Spielzeit mit Auf- und Abstieg durchdrücken würde.

Sie sind ein eifriger Verfechter der Minifußball-Spielform "Funino". In Niederbayern sehen manche darin eine Fehlentwicklung?
Weißmann: Zuerst: Noch steht nirgendwo, dass das eingeführt wird. Es ist unser Ziel, das umzusetzen. Wir wollen den Weg aber gemeinsam mit den Vereinen gehen. Ich bin der Meinung, dass diese Spielform Kinder nachhaltiger an den Fußball binden kann, weil viel mehr Kinder ihre Fähigkeiten entwickeln können. Und mit Blick auf Niederbayern stelle ich eine Gegenfrage: Man schafft es – trotz seit Jahren steigender Geburtenzahlen – nicht, mehr Kinder für den F- und G-Juniorenbereich zu gewinnen. Also muss der Fußball an Attraktivität verloren haben, und dann muss man sich fragen, woran das liegt und was man ausprobieren sollte. Ein einfaches "Weiter so!" funktioniert nicht, wir leben nicht mehr in der Zeit von vor zehn, 15 Jahren – das muss man einfach auch mal anerkennen, anstatt den Wandel in unserer Gesellschaft konsequent zu negieren.

Wie stellen Sie sich den Jugendfußball der Zukunft vor?
Weißmann: Kind- und jugendgerecht. Wer sagt, der Fußball muss in seiner Tradition fortleben, der kennt die aktuelle Jugendlichen-Denke nicht. Ein Beispiel: Auf einer Jugendleiterversammlung habe ich in die Runde gefragt, warum wir bei den Junioren nicht generell nur ein halbes Jahr spielen anstatt ein ganzes? Dann hieß es: "Das hat doch nichts mehr mit Fußball zu tun, da können wir gleich aufhören." In der Argumentation fehlen mir aber die Spieler und Spielerinnen. Warum sollen die Jugendlichen in einer Zeit leben, in der sie nicht aufgewachsen sind? Wir müssen uns mehr auf deren Lebenswelt einlassen.

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