Bezirkstagspräsident und Landrat
Unangenehme Wahrheiten: Der Sozialetat explodiert

23.04.2024 | Stand 23.04.2024, 19:30 Uhr

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (li.) und Landrat Dr. Ronny Raith im Gespräch im Regener Landratsamt. − Foto: Lang/Bezirk Niederbayern



„Der Staat hat sich in der Vergangenheit zu viel geleistet“, sagen Regens Landrat Dr. Ronny Raith und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich bei einem Treffen im Regener Landratsamt. Man habe so bei vielen Bürgern eine „Vollversorgungsmentalität“ gefördert.


„Die Menschen erwarten, dass man ihnen die Wahrheit sagt“, sind sich Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich und der Regener Landrat Dr. Ronny Raith einig. Das sei auch wichtig, um das Vertrauen der Bürger in die Politik – zumindest auf kommunaler Ebene – zu erhalten, wie es in einer Pressemitteilung des Bezirks heißt. Die beiden Kommunalpolitiker sprachen bei einem gemeinsamen Treffen offen darüber, dass sich der Staat in der Vergangenheit zu viel geleistet und damit bei den Bürgern eine „Vollversorgungsmentalität“ gefördert habe, die man sich nun aber nicht mehr leisten könne.

Sozialstaat ist bald nicht mehr zu finanzieren



„Wir erleben, wie unser Sozialetat in nie dagewesener Weise explodiert“, so Olaf Heinrich und kündigt an, dass der Bezirk im Jahr 2025 deshalb voraussichtlich seine Umlage erhöhen müsse. Statt mit fünf Prozent jährlicher Steigerung bei den Sozialausgaben rechne man heuer mit über zehn Prozent. „Wir brauchen eine Selbstbeteiligung derjenigen Menschen, die wirtschaftlich gut dastehen, sonst werden wir an einen Punkt kommen, an dem wir den Sozialstaat gar nicht mehr finanzieren können“, ist er überzeugt. Neben der Reduzierung von Leistungen seien aber auch die Verschlankung von Prozessen und der Verwaltungen dringend notwendig, so Heinrich.

Während auf Bezirksebene vor allem die Sozialleistungen zu Buche schlagen, sind es auf Landkreisebene andere Pflichtaufgaben (wie Krankenhäuser oder Schulen), die bei der „katastrophalen finanziellen Situation“ kaum mehr zu stemmen seien. Alleine um die bereits beschlossenen Maßnahmen umsetzen zu können, müsse der Landkreis aktuell neue Schulden aufnehmen. „Wir haben uns im Kreistag vorgenommen, dass wir nach dem Haushalt im Sommer dringend über Strukturen reden müssen und darüber, was wir uns in Zukunft noch leisten können und wollen“, erklärte Ronny Raith, der diese Herausforderung als ein wesentliches Thema seiner Amtszeit begreift. Als „Realist“ sei ihm klar, dass er vor allem den Mangel verwalten müsse, anstatt Neues gestalten zu können. „Natürlich würde man sich das anders wünschen, wenn man neu in ein Amt kommt.“

Erleichterung bei Genehmigung von PV-Freiflächenanlagen



Wichtig findet es Raith, die Menschen über die Hintergründe zu informieren. „Entscheidungen müssen getroffen werden, aber sie zu erklären, ist ebenso wichtig“, so der Landrat, der sich wünscht, dass über Politik weniger emotional und mehr rational gesprochen würde.

Und auch wenn vieles derzeit nicht gut laufe, sei es dennoch die Aufgabe von Kommunalpolitikern aller Ebenen, ihr unmittelbares Lebensumfeld zu gestalten und sich auch im Kleinen über Erfolge zu freuen. „Besonders gut ist das bürgerschaftliche Engagement bei uns“, findet Ronny Raith. Auch Olaf Heinrich versucht, diejenigen Stellschrauben zu nutzen, die der Bezirk hat, um Verbesserungen zu erreichen. So wurde etwa kürzlich ein Vorschlag gemacht, um die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanlagen zu erleichtern, indem die betroffenen Flächen nicht mehr zwingend aus der sogenannten „Landschaftsschutzgebietsverordnung“ herausgenommen werden müssen, was bisher bei allen Anträgen der Fall war. In voraussichtlich Dreiviertel aller Fälle würde damit auch kein Verwaltungsakt mehr anfallen, weshalb dies eine Erleichterung sowohl für die Gemeinden als auch die Kreisverwaltung sei.

Ronny Raith bedankte sich am Ende für das offene Gespräch. Olaf Heinrich wiederum ermunterte den Landrat, auch künftig vor allem die unangenehmen Themen anzusprechen. „Nur so können wir gemeinsam versuchen, Veränderungen und Verbesserungen zu erreichen.“

− bb