Bayerwald-Skirennläufer im Interview
Europacup-Sieg, Weltcup-Debüt – große Pläne: Die perfekte Saison von Jonas Stockinger (24)

28.03.2024 | Stand 28.03.2024, 8:03 Uhr
Jonas Kraus

Voll auf Zug: Jonas Stockinger gelang in dieser Saison den Sprung in den Weltcup. Beim Rennen in Adelboden schaffte er es im Januar sogar in die Punkte. − Foto: imago images

Skirennfahrer Jonas Stockinger ist angekommen in der Eliteliga des Sports. Seit dieser Saison fährt der 24-Jährige im Weltcup – und holte sich sogar die Riesenslalom-Gesamtwertung im Europacup. Im Interview spricht der Athlet vom SC Herzogsreut über seine Leistungsexplosion, seine Pläne für kommende Saison und warum es ihm sogar hilft, dass er einst aus dem deutschen Team geflogen ist.

Herr Stockinger, als erster deutscher Skifahrer seit 34 Jahren haben Sie eine Gesamtwertung im Europacup gewonnen. Haben Sie schon alle Glückwunschnachrichten beantwortet?
Jonas Stockinger: Mittlerweile ja. Am Wochenende bei den deutschen Meisterschaften aber kam ein Trainer vom Frauenteam zu mir und hat mich etwas vorwurfsvoll angeschaut, dem hab ich vergessen, zurückzuschreiben. Aber jetzt sollte ich durch sein.

Wie viele Nachrichten kamen denn?
Stockinger: Das kann ich gar nicht genau sagen, aber schon einige. Das freut mich wahnsinnig, dass das so viele Leute mitbekommen haben und sich für mich gefreut haben. Da setzt man sich gerne mal hin und antwortet allen.

Ohne Mannschaft: Hoher Aufwand, hohe Kosten



Hinter Ihnen liegt Ihre mit Abstand erfolgreichste Saison. Damit war nicht unbedingt zu rechnen, Sie sind vor drei Jahren aus der Mannschaft geflogen, mussten zwei Jahre lang alles auf eigene Kosten stemmen. Dachten Sie nie daran, es einfach sein zu lassen?
Stockinger: Als der Anruf damals kam, dass ich nicht mehr in der Mannschaft bin, war das ein Schlag ins Gesicht. Da hinterfragt man schon alles und denkt sich: Will ich das wirklich? Wenn ich diese Frage mit „Nein“ beantwortet hätte, wäre wohl Schluss gewesen. Im Endeffekt haben mir diese zwei Jahre geholfen.

Inwiefern?
Stockinger: Man muss viele Opfer bringen, wenn man nicht in der Mannschaft ist. Man hat keine Infrastruktur, auf die man zugreifen kann. Es ist enorm teuer und war auch psychisch hart, wenn man jeden Monat schauen muss, wie man das alles finanzieren soll. Aber ich habe enorm viel gelernt. Ich habe mich körperlich weiterentwickelt, viel mit Sepp Maurer gearbeitet. Das hat mich auch im Kopf stärker gemacht, ich mache mich nicht mehr kleiner als ich bin.

Der Aufwand war dennoch enorm.
Stockinger: Das stimmt. Freizeit hat man fast keine, wenn man nicht in den Teamstrukturen des Deutschen Skiverbands drin ist. Nach dem Training stand ich oft stundenlang im Skikeller, ich hatte ja keinen Servicemann und musste meine Ski selbst präparieren. Das ist anstrengend, aber ich habe viel über das Material gelernt, was mir auch jetzt hilft.

Vor dieser Saison kamen Sie dann zurück ins Team. Wie lief das ab?
Stockinger: Ganz unspektakulär. Die Trainer haben im Frühjahr ihre Sitzungen, stellen die Kader zusammen und rufen dann die Athleten an. Ich wurde gerade deutscher Meister im Riesenslalom und habe mich natürlich sehr gefreut, als der Anruf kam und ich wusste: Ich bin wieder in der Mannschaft.

In dieser Saison gingen Sie nicht wie bisher ausschließlich im Europacup an den Start, sondern hatten auch Ihre ersten Einsätze im Weltcup. Wie groß ist der Unterschied zwischen diesen beiden Ligen des Sports?
Stockinger: Sportlich gar nicht so enorm, auch im Europacup fahren viele Athleten, die im Weltcup bestehen können oder da auch schon länger waren. Aber das Umfeld ist nicht zu vergleichen. Wenn der Weltcup Bundesliga ist, dann ist ein Europacup organisatorisch vielleicht vierte Liga. Mit viel Glück wird ein Rennen mal in einem Livestream übertragen, TV-Kameras gibt es so gut wie keine. Die meisten Kameras haben die Trainer dabei, die die Läufe für die Videoanalyse filmen. Auch Zuschauer sind bei Europacups immer nur wenige.

„Der Weltcup ist eine andere Welt“



Das ist im Weltcup anders. In Adelboden, wo Sie mit Rang 28 zum ersten Mal in die Punkte fuhren, waren 25.000 Fans.
Stockinger: Das ist eine andere Welt und zeigt einem, für was man das alles macht.

Waren Sie da nervöser als sonst?
Stockinger: Komischerweise nicht. Ich kann das aber auch gar nicht sagen, wann ich nervös bin. In Adelboden vor dem zweiten Durchgang war ich sehr ruhig, dafür bin ich manchmal bei Fis-Rennen (eine Art dritte Liga des Skisports, d. Red.) enorm nervös.

Was ist für Sie der größere Erfolg in dieser Saison? Die ersten Weltcuppunkte oder der Gesamtsieg im Riesenslalom-Europacup?
Stockinger: Ich würde sagen, der Gesamtsieg. Es war mein großes Ziel vor der Saison, in der Endabrechnung im Europacup unter die ersten drei zu kommen, damit ich in der kommenden Saison einen Weltcupstartplatz sicher habe. Das Ziel habe ich erreicht, dass es dann der Gesamtsieg wurde, ist natürlich umso schöner.

Im Weltcup fahren Sie nun gegen die Besten der Besten, unter anderem Marco Odermatt, der alles in Grund und Boden fährt und als größter Skifahrer seiner Zeit gilt. Kann man sich von solchen Leuten was abschauen?
Stockinger: Jeder Athlet ist sehr individuell. Aber natürlich schaut man auf solche Spitzenleute. Man kann einen wie Odermatt nicht eins zu eins kopieren, aber darauf achten, wie er einzelne Abschnitte fährt und dann versuchen, ob das auch bei einem selbst klappen würde.

Sie trainieren auch regelmäßig mit Topathleten wie ihrem Teamkollegen Alex Schmid, der im Vorjahr Parallel-Weltmeister wurde, oder dem kroatischen Spitzenfahrer Zubcic. Helfen solche erfahrenen Athleten Ihnen auch mal, oder ist der Konkurrenzkampf zu groß?
Stockinger: Es gibt im Weltcup natürlich Athleten, die lassen Leute wie mich, die noch nicht so viel erreicht haben, ein bisschen links liegen. Aber mit den meisten ist das ein großes Miteinander. Alex kann ich immer fragen, der gibt mir Tipps, bei Filip oder anderen Athleten ist das auch so. Und wenn man sieht, dass man diese Leute im Training auch mal schlagen kann, gibt einem das Aufwind. Obwohl man Trainings nie überbewerten darf. Manche nehmen das sehr ernst und fahren am Limit, andere nehmen die Trainings eher, um am Material zu tüfteln.

Wie geht es nun für Sie weiter?
Stockinger: Am Wochenende wäre eigentlich die deutsche Meisterschaft gewesen, da fiel der Riesenslalom am Sonntag wegen schlechter Sicht aber aus. Das Rennen soll im April nachgeholt werden, vielleicht nehme ich das noch mit. Und dann geht’s erstmal zur Bundeswehr, in Hannover absolviere ich den vierwöchigen Feldwebellehrgang, was dann auch der letzte Lehrgang ist für mich.

Der Rücken macht immer wieder Probleme



Wie weit ist die Planung für kommende Saison?
Stockinger: Wie es genau weitergeht, weiß ich noch nicht. Nach dem Lehrgang würde ich gern kurz Urlaub machen, aber dann beginnt auf jeden Fall die Vorbereitung. Normalerweise fliegen wir dann für einen Monat nach Südamerika – und bis man schaut, ist eh schon wieder Winter.

Was haben Sie sich vorgenommen für kommende Saison?
Stockinger: Ich will mich im Weltcup etablieren, werde aber auch weiterhin im Europacup fahren. Verbessern kann ich mich natürlich in allen Bereichen, aber das Wichtigste ist, dass ich weiter an meinem Rücken arbeite. Ich habe da eine Entzündung, aber genau weiß keiner, was los ist. Ich muss da immer was machen. Diese Saison klappte es lang ganz gut, nur im Januar hatte ich mal wieder eine Phase, in der es enorm wehtat. Ich muss so gut es geht schmerzfrei sein, dann klappt auch alles andere beim Skifahren viel leichter.