Job-Protokoll
Was macht eigentlich ein Kinder- und Jugendcoach?

02.10.2023 | Stand 30.11.2023, 15:01 Uhr

Walther Bruckschen - Walther Bruckschen coacht Leonie Petschownik bei der Suche nach einem geeigneten Studienplatz. - Foto: Daniel Vogl/dpa/dpa-tmn

Schwierigkeiten beim Lernen, Ärger im Alltag: Kinder- und Jugendcoaches können dann unterstützend zum Einsatz kommen. Eine einheitliche Ausbildung gibt es nicht.

Eine vertrauensvolle und entspannte Atmosphäre schaffen, miteinander auf Augenhöhe reden, Probleme gemeinsam besprechen und Lösungsmöglichkeiten ausloten: Das sollen Kinder- und Jugendcoaches leisten. Geschützt ist die Berufsbezeichnung allerdings nicht.

Walther Bruckschen erzählt im Jobprotokoll aus seinem Arbeitsalltag.

Wie ich zu meinem Beruf kam:

Zunächst habe ich BWL studiert, dann im Journalismus gearbeitet und später mit meiner Frau und einem Arbeitskollegen eine Kommunikationsagentur gegründet und geleitet.

Im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 lief die Agentur nicht mehr so gut, wir mussten sie verkaufen. Daraufhin habe ich eine Ausbildung zum Gründercoach bzw. Gründerberater gemacht. Dabei bin ich erstmals mit dem Konzept des Coachings in Berührung gekommen. Spannend fand ich, dass Coaching und Beratung zwei unterschiedliche Dinge sind. Ein Berater beantwortet Fragen der Ratsuchenden. Ein Coach dagegen stellt seinem Gegenüber Fragen. Sie führen zu Lösungen, die der oder die Coachee selbst entwickelt. Er oder sie kann so immer mehr Selbstwirksamkeit erfahren.

Ich stellte fest: Coaching ist deshalb viel wirksamer als Beratung. Und weil ich wahrnahm, dass gerade jüngere Menschen oftmals ein Coaching benötigen, ließ ich mich zum Jugendcoach ausbilden. Darüber hinaus durchlief ich eine psychotherapeutische Ausbildung nach Rogers - auch hierbei geht es um aktives Zuhören und Empathie - und spezialisierte mich auf systemische Beratung und Coaching.

Seit 2015 habe ich eine Coaching-Praxis in München. Inzwischen biete ich gemeinsam mit einer auf Familiencoaching spezialisierten Kollegin eine eigene Ausbildung zum Kinder-, Jugend- und Familien-Coach an.

Wie mein Alltag aussieht:

Ich betreue derzeit parallel etwa drei bis fünf Coachees und bin zusätzlich als Azubi-Trainer für eine große Spedition tätig. Coachings führe ich entweder online oder in meinen Praxisräumen durch. Die Azubi-Trainings werden in einer Jugendherberge durchgeführt - dabei geht es darum, Kommunikation und das Miteinander in einem Team zu üben oder die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und zu verbessern.

Was für Coaching von Kindern und Jugendlichen spricht:

Viele gesellschaftliche Probleme wären vermeidbar, wenn Kinder und Jugendliche frühzeitig Unterstützung erfahren. Erste Berührung mit Coaching für Schülerinnen und Schüler haben Eltern meist, wenn die Kinder plötzlich beim Lernen einen Leistungsabfall haben. Dann suchen sie nach einer Lösung. Da ist zunächst die Nachhilfe, doch die hat ein Image nach dem Motto „Ich bin nicht schlau genug, brauche jemanden, der oder die es mir noch einmal erklärt“.

Coaching kennen die Kinder und Jugendlichen vom Sport. Die Leistungsträger bekommen ein Coaching, damit sie noch besser auf ihre Möglichkeiten zugreifen können. Meist liegen etwa hinter Leistungsabfall in der Schule andere Themen: Streit mit Eltern, Geschwistern, Mitschülern (bis hin zum Mobbing) - oder ganz einfach die Pubertät. Übrigens: Viele Coachees erleben im Coaching zum ersten Mal, dass ihnen Erwachsene eine Stunde lang zuhören und sie nach ihrem Befinden fragen.

Um was es beim Coaching von Kindern und Jugendlichen geht:

Mir geht es darum, das Selbstbewusstsein meiner Coachees zu stärken, ihnen Orientierung zu geben und ihre Kommunikation zu verbessern. Es gibt das Lerncoaching, das nicht zu verwechseln ist mit Nachhilfe: Dabei wird das eigene Lernverhalten reflektiert.

Beim Orientierungscoaching steht im Vordergrund: Was mache ich nach der Schule, was soll ich studieren, welchen Beruf soll ich ergreifen? Und je nach Fall geht es auch darum, wie man sich in bestimmten Situationen verhält. Wenn man bedenkt, dass etwa 80 Prozent der Schulabsolventen in Bezug auf ihre berufliche Zukunft unsicher sind, kann man ermessen, wie groß der Bedarf an professioneller Unterstützung allein in diesem Bereich ist.

Welche Voraussetzungen für den Job unabdingbar sind:

Neugierde, aber man muss auch einen guten Draht zu Kindern und Jugendlichen haben. Und vor allem: Man muss auf Augenhöhe mit den Coachees umgehen und ihnen klarmachen: Ich als Coach bin nicht derjenige, der alles besser weiß und kann - aber gemeinsam können wir Lösungen finden.

Dazu ist natürlich eine gute Ausbildung unabdingbar.

Wie die Verdienstmöglichkeiten aussehen:

Im Schnitt gibt es 100 bis 120 Euro pro Zeitstunde, bei einem Familiencoaching eventuell noch etwas darüber. Paketangebote für ein Orientierungscoaching mit drei bis fünf Sitzungen bringen zwischen 600 und 750 Euro. Bei Workshops mit mehreren Teilnehmern steigt der Stundensatz. Vom Kinder- und Jugendcoaching allein kann man zumeist nicht den Lebensunterhalt bestreiten. Das ist auch ein Grund, weshalb ich noch als Azubi-Trainer tätig bin und Orientierungs-Workshops anbiete.

Ein echtes Highlight in meinem Job:

Als ich viele positive Rückmeldungen von einer Fortbildung "Coaching-Kompetenz für Lehrkräfte" am Gymnasium Oberhaching in Oberbayern bekam. Denn wenn Lehrkräfte Coaching-Methoden kennen, fällt es ihnen leichter, die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, ihre Fähigkeiten und Stärken zu erkennen sowie Ziele zu entwickeln und zu verfolgen.

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