Kriminalität
Tödliche Messerattacke im Regionalzug: Opfer 17 und 19 Jahre

26.01.2023 | Stand 26.01.2023, 14:55 Uhr

Ein Angreifer in einem Regionalzug zwischen Kiel und Hamburg tötet zwei Menschen. Auch am Tag danach sind viele Fragen offen. Bekannt ist nun aber, wer die Todesopfer waren.

Nach einer Messerattacke in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg ist die Identität der beiden Getöteten geklärt. Es handele sich um eine 17-jährige Jugendliche und einen 19 Jahre alten Mann, sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) vor Beginn einer Landtagssitzung. «Sie kannten sich.» Am Morgen hatte die Ministerin das Alter des Mädchens noch mit 16 Jahren angegeben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Itzehoe gibt es keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat, bei der es nach ersten Erkenntnissen zudem sieben Verletzte gab. Auch der mutmaßliche Täter, den Zeugen überwältigten, wurde verletzt. Nach Angaben der Polizei kannten sich die beiden Todesopfer, die aus Schleswig-Holstein kamen.

Am Mittwochnachmittag hatte ein Mann während der Fahrt auf mehrere Fahrgäste eingestochen. Zu diesem Zeitpunkt saßen rund 120 Menschen in der Regionalbahn. Bei dem Täter handelt es sich den Angaben zufolge um einen 33 Jahre alten staatenlosen Palästinenser.

Der Mann reiste Ende 2014 erstmals nach Deutschland ein. Wie Sütterlin-Waack sagte, wurde ihm 2017 sogenannter subsidiärer Schutz gewährt. Im November 2021 sei ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiären Schutzes eingeleitet worden. Wie dieses ausging, blieb zunächst unklar.

Mutmaßlicher Zug-Angreifer seit 2014 in Deutschland

Der 33-Jährige war laut Stadtkämmerer Christian Zierau im Sommer 2021 aus Nordrhein-Westfalen nach Kiel gekommen, lebte dort in einer Gemeinschaftsunterkunft. Dort bekam er 2021 ein Hausverbot. «Er ist ab diesem Zeitpunkt in unserem Melderegister als unbekannt verzogen festgestellt», sagte Zierau vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags. Sicher ist laut Staatsanwaltschaft Itzehoe, dass er ab 21. Januar 2022 in Hamburg in Untersuchungshaft saß. Grund sei ein Körperverletzungsdelikt gewesen, teilte die Polizeidirektion in Itzehoe mit. Am 19. Januar des laufenden Jahres wurde er aus der U-Haft entlassen.

Menschen, die außer der palästinensischen Staatsangehörigkeit keine weitere besitzen, werden von Deutschland als staatenlos betrachtet. Denn wie die Mehrheit der EU-Staaten erkennt auch die Bundesrepublik die palästinensischen Gebiete nicht als eigenständigen Staat an. Das heißt aber nicht, dass grundsätzlich alle Palästinenser staatenlos sind, sie können zum Beispiel einen jordanischen oder israelischen Pass besitzen.

Sütterlin-Waack (CDU) warnte vor vorschnellen politischen Forderungen. «Aufgrund des sehr dynamischen Tatverlaufs ist vieles unklar», sagte Sütterlin-Waack. Ergebnisse einer Vernehmung des mutmaßlichen Täters gebe es noch nicht, so dass die Hintergründe noch unklar seien und man nichts zum Motiv sagen könne. «Auch ich habe viele Fragen», sagte die Ministerin.

Polizei bittet Zeugen um Aussagen

Der 33-Jährige wird voraussichtlich noch heute einem Haftrichter vorgeführt. Der Beschuldigte befinde sich nicht mehr in ärztlicher Behandlung, sondern im Gewahrsam der Polizei, teilte die Polizei mit. Die Hintergründe der Tat seien weiterhin unbekannt.

In dem Regionalzug gab es nach Polizeiangaben keine Videoüberwachung. Die Polizei richtete eine Telefonnummer für Zeugen ein und bittet Mitfahrer des Zuges, die noch nicht mit der Polizei gesprochen haben, sich unter +49 4821 602 2002 zu melden.

Das Parlament in Kiel begann seine Sitzung mit einer Gedenkminute für die Opfer des Angriffs. Auf die Frage nach einem Tatmotiv sagte die Innenministerin: «Wir sind mit Hochdruck dabei, sämtliche Fakten zusammenzutragen». Weitere Informationen soll es bei einer Pressekonferenz geben, die für 14.00 Uhr anberaumt ist.

Schwerste Stichverletzungen führten zum Tod zweier Opfer

Sütterlin-Waack dankte dem «mutigen, ja heldenhaften Einsatz einiger Mitreisender» im Regionalexpress. Sie erwähnte nicht nur die vielen Helfer, sondern auch die Mitarbeiterinnen der örtlichen Bäckerei, die Einsatzkräfte und Reisende kostenlos mit heißen Getränken und Backwaren versorgten. «Was wären wir ohne euch.»

Beide Opfer erlitten nach Angaben einer Polizeisprecherin schwerste Stichverletzungen, die zum Tod geführt haben. Die Stichwaffe des Täters habe die Kriminalpolizei sicherstellen können. Details dazu nannte sie zunächst nicht.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße rief zu Gebeten für die Opfer und Betroffenen der Zugattacke von Brokstedt auf. «Ich habe alle Gemeinden in Schleswig-Holstein gebeten, in den Gottesdiensten in den kommenden Tagen besonders für die Betroffenen zu beten», sagte er. Das Verbrechen versetze ein ganzes Land in tiefe Trauer und Fassungslosigkeit.

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