45-Jähriger im Interview
„Technik, Technik, Technik“: BFV-Cheftrainer Engin Yanova über Training, Coaches und Talente

30.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:16 Uhr

Engin Yanova ist seit 2015 für den Bayerischen Fußball-Verband tätig. −Foto: BFV

Seit Januar 2020 ist Engin Yanova Cheftrainer des Bayerischen Fußball-Verbands. Zuvor war er unter anderem Coach der U19 sowie U23 des 1.FC Union Berlin und beim Regionalligisten Berliner AK, ehe er 2015 zum Verbandstrainerteam des größten der 21 Fußball-Landesverbände Deutschlands stieß. Seit einiger Zeit beschäftigt sich der Berliner mit seinem Team mit der Änderung der BFV-Trainerausbildung, seit Anfang des Jahres in Kraft ist.

Im Gespräch mit Heimatsport.de erklärt der 45-Jährige, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in München lebt, inwiefern sich die Umstrukturierung auswirkt, weshalb er Hermann Gerlands Aussage („Ich höre nie: Dribbel, dribbel dribbel“) unterstützt und warum ihm um den deutschen Fußball in Zukunft nicht Angst und Bange ist.

Herr Yanova, ein Berliner als Cheftrainer beim Bayerischen Fußball-Verband. Wie kam es dazu?
Engin Yanova: Ich war zunächst in Vereinen als Trainer tätig, wollte dann zu einem Verband – ich hatte dabei an meine Familie gedacht. Der Unterschied liegt auf der Hand: Als Verbandstrainer hast du nicht an jedem Wochenende Wettkämpfe, das lässt sich am Ende dann besser planen. Für mich war damals und ist heute auch noch entscheidend, dass ich Trainern weiterhelfen, ihnen Impulse, Inspirationen mitgeben kann, was sie dann an ihre Spieler weitergeben. Der Bayerische Fußball-Verband war in vielerlei Hinsicht für mich attraktiv: Allein Größe und Kraft, dazu eine sehr innovative Konzeption. Deshalb war der BFV für mich naheliegend. Auch wenn’s am Anfang sprachlich etwas eine Herausforderung war (lacht), mittlerweile kann ich es aber auch schon ganz gut einordnen, wer woher genau aus welchem bayerischen Fleck kommt.

„Wir wurden brutal ausgebremst“

Sie sind seit drei Jahren in diesem Amt. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Arbeit?
Yanova: Zufrieden kann ich nach drei Jahren wegen Corona nicht ganz sein. Ich habe im Januar 2020 als Cheftrainer angefangen, zwei Monate später wurden wir brutal ausgebremst. Das Einzige, womit ich zufrieden bin, ist die Tatsache, dass ich es mit meinem Team geschafft habe, die Trainerausbildung sehr schnell auf die Online-Plattform zu übertragen und wir Lösungen gefunden haben, dass sich Trainerinnen und Trainer trotz der schwierigen Situation weiterbilden konnten. Zudem ist es uns gelungen, Online-Fortbildungen anzubieten, wodurch wir Trainerlizenzen verlängern konnten, was für Vereine aufgrund der Zuschüsse wichtig ist. Auf dem Platz konnten wir nicht viel machen. Auch die Auswahlmaßnahmen mussten wir zurückstellen, was wir erst in diesem Jahr wieder voll anschieben konnten. Insgesamt war es nicht wirklich zufriedenstellend, aber wer war das während der Pandemie schon?

Eine der aktuellen Aufgaben ist die Umstrukturierung der Trainerausbildung. Wie bewerten Sie die Veränderung? Profitieren Trainer davon?
Yanova: Der Prüfungsstress nimmt etwas ab. Insbesondere bei der C-Lizenz gibt es fast keine Prüfungen mehr, dafür Abschlussarbeiten und Präsentationen. Ein Selbstläufer ist das trotzdem nicht, die Arbeitsweise hat sich verändert, ist intensiver geworden. Aber klar ist: Wer nicht abgibt, besteht auch nicht. Nicht Noten, sondern Creditpoints, die man durch Trainererfahrungen und Weiterbildungen sammelt, berechtigen nun weiterzumachen. Ich denke, das ist im Sinne der Trainerinnen und Trainer. Auch wenn man sich gedulden muss, weil Erfahrung Zeit kostet. Das geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein richtiger Ansatz, aber aus meiner Sicht haben wir im gesamten Prozess noch an der einen oder anderen Stelle Optimierungsbedarf. Vor allem, um talentierten Trainern nicht unnötig den Weg zu verlängern. Es wird in Zukunft ein dynamischer Prozess bleiben, in dem wir die Rückmeldungen der Teilnehmer einfließen lassen wollen und dann auch entsprechende Anpassungen vornehmen werden.

Sie selbst haben bei mehreren Stationen als Übungsleiter einige Erfahrungen gesammelt. Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Training für die Coaches und Spieler in den vergangenen Jahren verändert?
Yanova: Heutzutage ist der Zugang zu Wissen deutlich größer. Man muss nicht erst warten, bis jemand ein Buch herausbringt, sondern kann sich über Videos und auch über die Landesverbände Wissen aneignen und Impulse holen. Das hat sich verändert. Was das Training selbst betrifft, haben wir über die Leitungszentren eine viel höhere Qualität, insbesondere in der Förderung von Talenten durch gut ausgebildete Trainer. Wichtig ist, nicht zu früh taktisch zu trainieren, sondern auch Spielkompetenz zu vermitteln. Die richtige Balance ist entscheidend. Für den Amateur- und Breitensport wünsche ich mir, dass Kinder und Jugendliche ein Leben lang am Ball bleiben und nicht aufgrund etwaiger Enttäuschungen oder fehlendem Spaß dem Fußball den Rücken kehren und die Sportart wechseln. Dahingehend müssen wir die Trainer begeistern, wir müssen ihnen klar aufzeigen, worauf Wert zu legen ist. Dazu sollen auch neue Spielformate beitragen, wie der Minifußball, den wir alle in Bayern kennen und ab 2025 flächendeckend spielen werden. Hierbei sollen Spiel und Spaß für die Kleinsten im Vordergrund stehen.

Inwiefern spielt die Digitalisierung im Amateurbereich eine Rolle?
Yanova: Eine tragende – klar! Wir müssen mit der Zeit gehen und den Vereinen aufzeigen, was möglich ist. Was ist ein Mehrwert und in welchem Bereich kann ich ihn auch gewinnbringend nutzen? Ein simples Beispiel: Heute lässt sich viel festhalten, das Handy ist immer dabei, und so lassen sich Spielzüge aufnehmen. Das kann jeder Trainer im Training machen, und das kann auch für den Entwicklungsprozess nützlich sein.

„Die Spieler sollen auf dem Platz Entscheidungen treffen“

Hermann Gerland hat vor Kurzem kritisiert, dass im Training zu wenig Wert auf Technik gelegt wird, dass mehr gedribbelt werden sollte. Wie sehen Sie das?
Yanova: Bei seiner Aussage unterstütze ich Hermann Gerland. Technik, Technik, Technik, das ist wichtig. Und die ist vielseitig, nicht nur Dribbeln oder Passen. Es gibt auch defensive Techniken – wie einen Torschuss blocken. Es ist aber auch eine Haltung der Trainer, dass sie diesen Weg gezielt und aus Überzeugung unterstützen und nicht ständig reinrufen, dass man den Ball abspielen soll. Die Spieler sollen auf dem Platz Entscheidungen treffen und umsetzen. Es gilt für die Kinder, viele Erfahrungen zu sammeln und zu spielen. Im Leistungsbereich kann das dann später spezifischer werden.

Der Fußball ist in Deutschland die Sportart Nummer eins, es gibt viele Talente. Trotzdem greifen Profiklubs oft auf internationale Spieler zurück. Haben deutsche Nachwuchskicker überhaupt genug Chancen, sich zu beweisen?
Yanova: Ich sehe das Thema anders. Natürlich habe auch ich Interesse, dass deutsche Talente den Zugang zum Profifußball finden. Aber wir müssen das Thema global denken. Gerade im Profisport geht es immer um die Qualität. Es interessiert heutzutage zurecht niemanden, wo du herkommst. Das sieht man auch daran, wie Topklubs zusammengesetzt sind. Unser Anspruch muss es sein, dass unsere Nachwuchsspieler mit der Qualität in den Konkurrenzkampf gehen können. Ich bin davon überzeugt, dass sie sich durchsetzen können. Der Einstieg in den Profifußball ist immer mit Qualität verbunden, dafür müssen unsere Spieler dieses Niveau bekommen – im Technischen, Taktischen, Athletischen, überall.

„Müssen uns hinterfragen, wie wir trainieren“

Nach drei enttäuschenden internationalen Turnieren – WM 2018 und 2022 sowie EM 2020: Wo steht der deutsche Fußball im Vergleich zu den Topnationen wie Argentinien, Frankreich oder England?
Yanova: Für meine Auffassung muss man einiges relativieren. Wenn man nur die Ergebnisse der Nationalmannschaft anschaut, waren das K.o.-Spiele, die man meiner Meinung nach nicht als Maßstab sehen sollte. Eher als Trend. Der zeigt klar nach unten. Dennoch haben wir gute Jungs in den Leistungszentren und U-Nationalmannschaften. Mir ist deshalb nicht Angst und Bange um die Zukunft des deutschen Fußballs. Dennoch: Wir müssen uns hinterfragen, wie gut wir in den Inhalten sind, wie wir trainieren, was wir trainieren. Wie wir die Jungs begleiten, ansprechen, mental auf den Konkurrenzkampf vorbereiten. Da geht es letztlich wieder um Qualität. Mit diesem Begriff möchte ich das beschreiben. Wir werden auch in Zukunft immer eine gute Mannschaft auf die Beine stellen können. Entscheidend ist, ob sie dann auf Topniveau konkurrenzfähig ist. Das wird sich zeigen.