Der FC Bayern hakt nach der blutleeren Klassiker-Pleite den Titel endgültig ab. Sportvorstand Eberl muss viele Fragen klären. In der dringlichsten soll auch der Bundestrainer eine Rolle spielen.
Nach dem Meister-„Glückwunsch“ von Thomas Tuchel an Bayer Leverkusen mit einem süßsauren Lächeln standen für die Bayern-Profis frustrierende Osterfeiertage an. „Eigentlich hat es von der ersten bis letzten Minute an allem gefehlt. Ich hatte nie so das Gefühl, dass wir es unbedingt gewinnen wollen“, sagte der schwer mitgenommene Joshua Kimmich nach dem 0:2 im deutschen Clásico gegen Borussia Dortmund mit alarmierendem Unterton. „Wir haben jetzt zwei Tage frei. Da hat jeder noch mal ein bisschen Zeit, sich Gedanken zu machen.“
Sportvorstand Max Eberl richte nach dem unerklärlichen nächsten Münchner Leistungsverfall klare Worte an die enttäuschenden Profis. „Man kann natürlich den nächsten Trainer rauswerfen und sagen, wieder der nächste Trainer und wieder der nächste Trainer. Aber es sind schon die Jungs auf dem Platz, die da stehen und ihre Leistung bringen müssen“, sagte der 50-Jährige. „Dass die alle Qualität haben, das wissen wir und betonen es jedes Mal wieder. Aber du musst es auch im Spiel zeigen.“ So wird das jedenfalls nichts mit einem Weiterkommen im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Arsenal.
Bayern fehlen „Energie und Power“
Tuchel war konsterniert. „Es war zu wenig von uns in den elementaren Basics, die du brauchst, um gut zu sein“, haderte der 50-Jährige. „Ich dachte, dass wir da nicht mehr zurückgehen zu diesem Punkt. Da habe ich offensichtlich nicht recht gehabt.“
Beunruhigend waren auch die Aussagen von Sven Ulreich, der den verletzten Manuel Neuer im Münchner Tor vertrat. „Energie und Power“ hätten gefehlt, sagte der 35-jährige. „Wir müssen uns als Mannschaft hinterfragen, wie wir so eine Saison über uns ergehen lassen.“ Kimmich fühlte sich beim Auftritt auf dem Platz an „ein Freundschaftsspiel“ und nicht an den so prestigeträchtigen Klassiker erinnert.
Die Pleite durch Tore von Karim Adeyemi und Julian Ryerson unterstrich einmal mehr, dass der FC Bayern nach einem zuletzt immensen Trainerverschleiß dringend neue Spieler-Impulse benötigt. Wer der Trainer dieses Starensembles sein wird, das ist aktuell die drängendste Frage für Eberl und Sportdirektor Christoph Freund. „Ich habe tatsächlich Freunden von mir geschrieben: "Ihr sucht am Sonntag Eier, und ich suche den Trainer." Die Arbeit geht weiter“, sagte Eberl lächelnd im Interview im ZDF-„Sportstudio“.
Eberl und die Nagelsmann-Frage
Eberl ließ sich nicht locken, ob es ein spektakuläres Comeback von Bundestrainer Julian Nagelsmann geben könnte. „Ich weiß, dass das die ganze Öffentlichkeit interessiert und dass jeder teilhaben möchte an den Gedanken, die wir haben“, sagte Eberl.
Nagelsmann ist bis nach der Heim-EM im Sommer an den DFB gebunden. Der 36-Jährige hat verdeutlicht, dass er seine Zukunft am liebsten vor der EM geklärt haben möchte. „Verband oder Verein“, nannte Nagelsmann ein Jahr nach seinem Bayern-Aus als Optionen. Es wäre schon reichlich verrückt, wenn der Nachfolger von Tuchel dessen Vorgänger Nagelsmann werden würde.
Nach dem Ja des designierten Meistertrainers Xabi Alonso zu einem weiteren Jahr in Leverkusen ist ein Wunschkandidat jedenfalls vom Markt. „Ich habe es oft genug gesagt, wir klopfen ab und deswegen hat mich auch dann die Entscheidung von Xabi überhaupt nicht mehr berührt, weil wir schon lange woanders unterwegs waren“, schilderte Eberl. Roberto De Zerbi vom englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion oder Österreichs Nationalcoach Ralf Rangnick gelten als weitere Kandidaten.
Bayern müssen sogar in den Rückspiegel schauen
Auf 13 Punkte ist der Rückstand auf den in dieser Saison unbesiegbaren Tabellenführer Leverkusen angewachsen. Zwar hoben die Bayern-Protagonisten reihenweise hervor, dass die Meisterschaft erst entschieden sei, wenn rechnerisch nichts mehr gehe. Aber an den zwölften Titel in Serie glaubt keiner wirklich mehr.
Vielmehr solle man „mal in den Rückspiegel schauen, was da passiert“, mahnte Eberl. „Wir sollten unsere Hausaufgaben machen, unsere Spiele gewinnen und die Champions League sichern.“ Zehn Punkte beträgt der Vorsprung auf Rang fünf.
Nur drei sind es für den BVB, der aber auf Kurs Minimalziel liegt. „Das muss noch mehr Hunger in uns wecken“, sagte Trainer Edin Terzic vor „extrem wichtigen Wochen“. Diese Leistungen müsse man „zur Gewohnheit“ machen. Im Kampf um die Königsklassen-Qualifikation und für das Viertelfinale dort gegen Atlético Madrid bringt der erste Liga-Erfolg seit zehn Jahren in München viel Selbstvertrauen. „Das war ein wichtiger Sieg, aber wir wissen, dass wir in den nächsten Wochen noch viele wichtige Spiele haben“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl.
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