Löwen vor dem Start
Blockiert und gespalten, kein Coach und kein Sportdirektor: 1860 München – mit viel Konfliktpotenzial ins neue Jahr

30.12.2023 | Stand 30.12.2023, 15:46 Uhr

Für viele Fans ist Vereinspräsident Robert Reisinger inzwischen zum Buhmann geworden. Jetzt hat sich der Oberlöwe in einem umfassenden Statement zur aktuellen Situation geäußert. − Foto: Imago Images

Der Zwist zwischen den Gesellschaftern verzögert beim TSV 1860 München weiterhin wichtige Entscheidungen. Vor dem Trainingsauftakt am Dienstag gibt es beim Drittligisten noch immer keinen neuen Sportchef – und keinen Trainer. Dafür jede Menge Konfliktpotenzial.

Die stade Zeit ist vorbei. Wobei es so etwas bei den Münchner Löwen ja eigentlich sowieso nicht gibt. Auch über die Weihnachtstage und zwischen den Jahren wurden eifrig Pressemitteilungen verschickt, Statements abgegeben und die Auseinandersetzungen mit fast selbstzerstörerischer Freude ausgetragen. Statt mit Aufbruchsstimmung startet der abstiegsbedrohte Klub aus Giesing blockiert ins neue Jahr – und tief in zwei Lager gespalten.

Die jüngsten Auslassungen dazu kommen von Robert Reisinger. „Fragen und Antworten zur Sportlichen Leistung Profifußball“, so ist ein aktueller Text auf der Homepage des e.V. überschrieben, in dem der Löwen-Präsident seine Position zu sieben dieser Fragen formuliert. Zum Beispiel darauf, warum die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA ein halbes Jahr nach dem Abschied von Günther Gorenzel noch immer keinen Nachfolger ins Amt gebracht hat. Die Kaderplanung hätten der „mittlerweile bereits wieder freigestellte Trainer“ (Maurizio Jacobacci), der amtierende Geschäftsführer (Marc-Nicolai Pfeifer) und zwei Vertreter von HAM International (das Unternehmen von Investor Hasan Ismaik) übernommen, schreibt Reisinger. „Ein sportfachliches Korrektiv erschien ihnen unnötig“, kritisiert er.

Zum Hintergrund: Reisinger wollte im Sommer Horst Heldt als neuen starken Mann mit Sportkompetenz installieren, fand dafür aber keine Mehrheit in den Gremien. Stattdessen schien es nun auf den damals noch von der Vereinsseite abgelehnten Christian Werner, früher Chefscout bei Waldhof Mannheim, hinauszulaufen. Der Knackpunkt: Ismaiks Investorenseite möchte Werner lediglich als Sportdirektor, in der Rangordnung unter Geschäftsführer Pfeifer, während der Mutterverein ihn (wie vorher Gorenzel) mit Geschäftsführerkompetenzen ausstatten will. Wohl auch, um den bereits gekündigten Pfeifer möglicherweise schon vorher loswerden zu können. Eine Beiratssitzung, bei der das Thema geklärt werden sollte, platzte kurz vor Weihnachten, weil zwei Investorenvertreter (einer krank, einer unentschuldigt) fehlten. Mittels 50+1 könnte der e.V. Werner auch im Alleingang berufen, würde die Investorenseite damit aber wohl endgültig vor den Kopf stoßen. Bis zur nächsten ordnungsgemäß geladenen Sitzung könnte es Mitte Januar werden.

Für Reisinger drängt sich der Eindruck auf, der Klub solle „aus politischem Kalkül bewusst in einem künstlichen Zustand der Agonie gehalten werden“. Dabei drängt die Zeit, da auch andere Entscheidungen daran hängen, allen voran die Trainersuche. Mit Daniel Bierofka und zuletzt wohl auch Bernhard Trares haben zwei Ex-Löwen bereits abgesagt, Tobias Schweinsteiger hat laut Reisinger wegen seiner Vergangenheit bei den Bayern-Amateuren den „falschen Stallgeruch“, sodass derzeit Marco Antwerpen (zuletzt beim 1. FC Kaiserslautern) als einziger heißer Kandidat übrigbleibt. Für den Fall, dass sich die Suche weiter verzögert, könnte NLZ-Leiter Manfred Paula einspringen, er verfügt über die nötige Lizenz. Der erfolglose Interimstrainer Frank Schmöller (ohne Lizenz und ohne Punkte in seinen beiden Einsätzen) sollte eigentlich zurück zur U21, muss aber vielleicht ebenfalls weiter ran. Ganz egal welcher Trainer, er würde sich sofort im Abstiegskampf (nur noch zwei Punkte Vorsprung) mit der Hypothek von vier Ligapleiten in Serie zurechtfinden müssen.

Wie es also im neuen Jahr weitergeht? „Mit Mut, Energie und der nötigen Gelassenheit“, schreibt Reisinger zu dieser Frage. Charakter, Einstellung und Mentalität hätten bei der Mannschaft in der bisherigen Saison fast immer gestimmt. Es müsse aber auch nüchtern konstatiert werden, dass Sechzig „seinem sportlichen Ziel trotz eines gehobenen Budgets leider sehr weit hinterherhinkt“. Durch einen neuen Sport-Geschäftsführer und einen neuen Trainer gelte es die „nötigen Impulse zu setzen und verschüttetes Potenzial innerhalb der Mannschaft freizulegen“, so der Präsident. Vorausgesetzt, aus der Blockadehaltung wird in den nächsten Wochen doch noch so etwas wie zaghafte Aufbruchsstimmung.

− mgb