San Diego: Die Gute-Laune-Stadt am Pazifik

15.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:24 Uhr

Über hundert großformatige Wandmalereien zieren Betonwände und -pfeiler im Chicano Park. Sie sind Teil des Protestes der Einwohner des Viertels Barrio Logan gegen einen Brückenbau. −Fotos: Christine de Silva

In San Diego spielt sich das Leben draußen ab. Der lockere Lifestyle Südkaliforniens mit Streetart, Streetfood und Schaulaufen am Strand hat eine Niederbayerin so begeistert, dass sie nach dem Studium gleich ganz dablieb.

Oft ist Liebe im Spiel, wenn Menschen ihren Wohnort wechseln. Weniger romantisch, aber meist zwingend ist auch ein neuer Arbeitsplatz. Geht es jedoch um San Diego, sprechen viele der neuen Bewohner vom speziellen „Spirit“ der 1769 gegründeten und damit ältesten Stadt des US-Bundesstaats Kalifornien. Wen wundert’s? Die Region San Diego County kann sich über 300 Sonnentage, ganzjährig Temperaturen zwischen 19 und 25 Grad sowie 110 Kilometer Küstenlinie freuen. Gute Argumente für das Traumziel am Pazifik, in dem sich das soziale Leben zu einem Gutteil draußen abspielt.

Morgens am Strand joggen, in der Mittagspause im Meer surfen und nach Feierabend mit einem kühlen Drink von den steilen Klippen in Torrey Pines auf den rot-goldenen Sonnenuntergang blicken – diesen Lifestyle pflegen hier nicht nur Urlauber mit viel Zeit, sondern auch Anwohner, für die das zum normalen Tagesablauf gehört. Einmal auf den Geschmack des kalifornischen „take it easy and have fun“ gekommen, möchten viele, die zum Studieren an die Universitäten der hügeligen Ostküstenstadt gekommen sind, das Gute-Laune-Leben nicht mehr missen. Flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten tragen am Hightech- und Biolab-Standort zur guten Work-Life-Balance bei – das schätzen nicht nur junge Leute.

Von Niederbayern an die Ostküste

Seit 2010 gehört Carmen Lindinger zu den eingeschworenen Fans. Aufgewachsen in Aicha vorm Wald, ist die Niederbayerin nach dem Studium hängengeblieben. Zwar rangiert San Diego nach Zahlen der Datenbank Numbeo bei den Mieten 2023 auf Platz sieben der teuersten Städte der Welt. Doch für die junge Frau überwiegen die Vorteile. „Die Stadt hat einfach für jeden etwas, über 100 unterschiedliche Nachbarschaften, die alle in rund 20 Minuten zu erreichen sind“, schwärmt die Biochemikerin, die in einem Labor für Stammzellenforschung arbeitet. Und weil es ihr Spaß macht, steht Carmen Lindinger auch ab und an im „Bivouac Ciderworks“ hinter dem Tresen. Die Spezialität der Bar im Hipster-Stadtteil North Park ist handgekelterter Cider, ein alkoholhaltiger Fruchtmost. Ob die Brombeer- oder Birnen-Variante besser zum veganen Burger oder der Quinoa-Bowl schmeckt, findet man am besten bei einem Cider-Tasting heraus. Wenn sich deutsche Besucher angesagt haben, setzt die Chefin des reinen Frauenbetriebs auf den bayerischen Charme von Wissenschaftlerin Carmen.

Schauplatz von „Manche mögen’s heiß“ und „Top Gun“

Größter Arbeitgeber der Region ist jedoch das Militär. Bei einer Hafenrundfahrt mit Flagship Cruises hat man einen guten Blick auf die Marinebasis – das Hauptquartier der amerikanischen Pazifikflotte. Mehrere Atom-U-Boote und Kampfschiffe sind hier stationiert. Die kann man zwar nur aus der Ferne erspähen, alternativ aber das Museumsschiff USS Midway besichtigen, einen 300 Meter langen Flugzeugträger, der von 1945 bis 1992 im Einsatz war. Wenn dann noch ein Helikopter über die Bucht fliegt, erlebt man fast einen „Tom-Cruise-Moment“. Auf dem Luftwaffen-Stützpunkt San Diego war bis 1996 die Elitejagdflugschule der US-Navy, besser bekannt als Top-Gun-Programm, beheimatet. 1986 wurde auf dem Gelände mit Unterstützung des Pentagons der gleichnamige Blockbuster „Top Gun“ gedreht, in dem Hollywoodstar Tom Cruise den rebellischen Kampfpiloten „Maverick“ mimte.

Im Film besuchen die Soldaten so manche Bar in der Stadt. Wer heutzutage ausgehen will, tut das im Gaslamp Quarter, das am Wochenende gern Schauplatz von Junggesellinnen-Abschieden ist. Ob rosarot im Barbie-Look oder im Schwarze-Witwen-Outfit feiern die Gruppen den letzten Abend vor dem Ja-Wort im schicken Seafood-Restaurant Lionfish und tanzen im Anschluss die Nacht in der Altitude Sky Lounge des Pendry-Hotels durch, wo man von der Dachterrasse auf die erleuchtete Stadt blicken kann.

Luxuriös und auch tagsüber geöffnet, ist die Strandbar im 1888 eröffneten ersten Ferienhotel Südkaliforniens, dem Hotel del Coronado. 1959 wurde hier die Billy-Wilder-Komödie „Manche mögen’s heiß“ mit Marilyn Monroe gedreht. Das Hotel bietet Führungen zum Film an.

Gemächlicher geht es im Viertel La Jolla zu. Man kann zwischen der Strandpromenade, bunt gestrichenen Wohnhäusern und feinen Boutiquen entlang radeln oder Hunderten von Robben und Seelöwen mit ihren Jungen beim Sonnenbaden zuschauen. Klug, wie sie sind, haben die Säugetiere einen Strandabschnitt namens Children’s Pool für sich erobert, der 1931 eine Wellenbrechermauer aus Beton erhielt, eigentlich um Kindern das gefahrlose Spielen am Strand zu ermöglichen.

100 riesige Graffiti im Chicano Park

Ebenfalls aus Beton ist die 1969 eröffnete 3,5 Kilometer lange, bis zu 61 Meter hohe, fünfspurige, Coronado-Brücke – doch die Geschichte hinter ihr ist lange nicht so schön. Für ihren Bau wurde das mexikanische Viertel Barrio Logan in zwei Teile gespalten und viele Häuser der armen Einwanderer abgerissen. Doch die Gemeinschaft protestierte und erstritt von der Stadtverwaltung, dass unter der Brücke keine Station für die Highway Patrol gebaut, sondern ein Park zum Spielen und Picknicken angelegt wurde. Seither haben Streetart-Künstler die hohen Pfeiler mit über 100 Kunstwerken besprüht, die die hispanische Geschichte zeigen. Heute versammelt Chicano Park die meisten großformatigen Graffitis im öffentlichen Raum in Nordamerika. Zu Fuß nur wenige Minuten entfernt gibt es in der Logan Avenue für Taco-Freunde das beste Streetfood der Stadt. Die Mais-Tortillas sind mit frischem Gemüse, Fleisch, Fisch oder Käse gefüllt und mit scharfer Salsa abgeschmeckt.

Überhaupt spielt Essen in San Diego eine große Rolle, um Geschäftspartner oder Freunde zu treffen und über die neuesten „Hot Spots“ auf dem Laufenden zu sein. „Das perfekte Wetter macht gute Laune und Appetit“, bestätigt Jordana Boyland, in New York geborene PR-Managerin, bei einem Frühstück im „Morning Glory“. Sogar am Samstagmorgen geht man aus. In dem pink-grün dekorierten Trend-Café werden Reservierungen nicht angenommen. Wer dabei sein will bei der Party am Morgen, stellt sich für Avocadotoast, Eggs Benedict und Blaubeermuffins schon mal drei Stunden in die Warteschlange und hofft, dass danach noch Zeit bleibt für den Einkauf auf dem Farmermarkt in Little Italy.

Wer nicht so lange auf seinen Kaffee warten will, weil er die Halblitertasse zum Wachwerden braucht, ist in einer Filiale von „Breakfast Republic“ richtig. Hier gibt es Klassiker wie Oreo-Pancakes und deftige Rühreier mit Speck in Riesen-Portionen. Drehbuchautor Joe Todd beschränkt sich jedoch auf das Wesentliche: Kaffee und frisch gepressten Orangensaft. Auch seine Liebe zu San Diego erklärt er ganz pragmatisch: „Ich habe mir mal eine Liste gemacht, was mir wichtig ist im Leben.“ Neben Freiheit und Toleranz gehöre auch dazu, „dass ich jeden Morgen vor der Arbeit schwimmen kann“, sagt er. An der Ostküste habe er das halbe Jahr gefroren. Hier habe jedes Apartmenthaus seinen eigenen Pool.


Redakteurin Christine de Silva reiste auf Einladung der San Diego Tourism Authority.


INFORMATIONEN

San Diego liegt in Südkalifornien, 20 Kilometer nördlich der mexikanischen Grenze. Die Stadt hat 1,4 Millionen Einwohner, die Metropolregion 3,3 Millionen. Offizielle Seite: www.sandiego.org.

ANREISEN

Lufthansa fliegt von München direkt in 11,15 Stunden nach San Diego. Neben der Staßenbahn San-Diego-Trolley gibt es ein paar Vorort-Züge, doch um von Flughafen zum Hotel sowie durch die ganze Stadt fahren zu können, ist ein eigener Mietwagen nützlich.

ÜBERNACHTEN
Etwa im Catamaran Hotel, ein 1958 im hawaiianischen Stil erbautes Resort mit Gym, Pool, Restaurants und Shops.

BALBOA PARK
Nicht verpassen sollte man die Museumsmeile Balboa Park. Auf fünf Quadratkilometern öffentlicher Fläche finden sich 17 Museen, zu denen man mit einem Museumspass Zutritt hat. Viele Kulturevents, Kunstgalerien, Kino, Tanz und Theater sowie Cafés und Restaurants komplettieren das Angebot, sodass wirklich für jeden was dabei ist. Bei der Schauspielstätte San Diego Symphony kann man außerhalb im Freien den Konzerten kostenlos zuhören.

Zauberhaft ist die Atmosphäre im japanischen Freundschaftsgarten. Neben Brücken, Pavillons und einem Koi-Teich zeigt eine Bonsai-Ausstellung die Kunst der lebenden Skulptur, und erklärt, wie Gärtner die perfekten Proportionen der Miniaturbäume erreichen. Im Automuseum bringen seltene Roadster und teure Flügeltürer die Fans zum Staunen. Das Air Space Museum lässt die Herzen von Luft- und Raumfahrtfans höher schlagen. Hängen hier doch fliegende Kisten aus dem 1. und 2. Weltkrieg sowie eine Mondkaspel am Hallenhimmel. Groß und Klein erkennen im Comic-Museum ihre Helden wieder, können Farb- und Soundtechniken ausprobieren und Zeichentrickfrequenzen herstellen. Direkt nebenan liegt zudem der San Diego Zoo, der meistbesuchte der USA.