FDP-Parteitag
Linder will Ampel-Kurs auf Wirtschaftswende trimmen

28.04.2024 | Stand 28.04.2024, 19:33 Uhr

FDP-Chef Christian Lindner hat mit dem Ruf nach einer „Wirtschaftswende“ für Deutschland die volle Unterstützung des Bundesparteitags der Liberalen bekommen. − Foto: Hannes P. Albert, dpa

Von Lukas Götz

Berlin. Im Vorfeld des Bundesparteitags der FDP in Berlin gab es zwei Lager. Die einen, etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sahen durch die Forderung der Partei zur „Wirtschaftswende“, die die Delegierten in einem Leitantrag beschließen sollten, das Ende der Ampel-Koalition. Die anderen, vor allem die Koalitionspartner, sahen lediglich Parteitagsfolklore. Viel Lärm für die maximale Aufmerksamkeit. Fest steht, die FDP hat in den vergangenen Wochen einen Alleingang gestartet, von dem keiner so recht wusste, was überspitzte Folklore ist und was realer Sprengstoff für die Koalition.

Lindner übt – und erntet großen Applaus

„Es kommt auf jede und jeden bei uns an, deutlich zu machen, dass wir nichts von unseren Überzeugungen aufgegeben haben und die einzige Kraft der Freiheit in Deutschland sind“, sagte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner zum Abschluss seiner mehr als einstündigen Rede. Er erhielt minutenlangen Applaus und Standing Ovations dafür. Der schwierigen Legislatur in der Ampel und den miesen Umfragewerten zum Trotz: Die Stimmung in der FDP ist gut.

Bei aller Begeisterung nach der Rede, die neben dem Leitantrag zur „Wirtschaftswende“ das sinnstiftende Element des Parteitags war, waren ihre Inhalte nicht überraschend. Dass die FDP sich wieder als Wirtschaftspartei versteht, ist seit Wochen bekannt. Einige Passagen seiner Rede hielt Lindner genauso schon vor zwei Wochen bei einem Wirtschaftsgipfel der Partei. Es scheint, als hätte er sich eines Systems bedient, wie es etwa Comedians nutzen. Er testete sein Material im Vorfeld im kleinen Rahmen, um auf der großen Bühne zu wissen, was ankommt und was nicht. Weg blieben vor allem die Spitzen gegen die Koalitionspartner.

Es gab sie zwar, die Kritik an der Ampel, doch diese hielt sich weitgehend in Grenzen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte am Sonntag, dass er die Koalitionspartner „sehr schätze“, nur um dann zu erklären, „ein anderes Staatsverständnis“ als die Koalitionspartner zu haben, was sich auch nie ändern werde. Und auch Lindner kam nicht ohne kleine Spitzen und Kritik aus, nutzte sie jedoch dosiert. Namentlich kritisierte er Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und die von ihr geplante Kindergrundsicherung. Nicht namentlich, aber unmissverständlich ging es gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD): „Manche sagen ja, die Wirtschaft würde Klagelieder anstimmen. Ich sage, wir dürfen die Weckrufe zu unserer Wettbewerbsfähigkeit nicht überhören.“

Insgesamt betonte die Parteispitze, dass man nicht wie bisher weitermachen wolle – aber weitermachen werde, nur ab jetzt anders. An Punkten wie der Kindergrundsicherung oder auch dem Rentenpaket II wird sich zeigen, wie und ob das gelingen kann. Die Bereitschaft, im Sinne der Sache an einem Strang zu ziehen, ist jedenfalls da, wie Lindner betonte: „Wir sind bereit, zu diskutieren, wir sind offen für andere Vorschläge.“ Ein wohlgemeintes Angebot. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Lindner gab sich beim Parteitag betont sachlich. Symbolisch dafür steht, dass er zwei seiner Argumente mit Grafiken untermauerte. Jeder im Raum – und darüber hinaus – sollte sehen, dass Lindner einen belegbaren Punkt hat, dass Deutschland die „Wirtschaftswende“ braucht.

Was der FDP auf dem Weg zu wirtschaftlichem Wachstum vorschwebt, ist spätestens seit dem vieldiskutierten „12-Punkte-Plan“ bekannt: Etwa die Abschaffung des Soli und der Rente mit 63, weniger Bürgergeld für Jobverweigerer, steuerliche Vorteile für Überstunden. All das war auch Teil eines Leitantrags, den die Parteispitze einbrachte. Die Delegierten stimmten ihm mit überwältigender Mehrheit zu. Wie sich das auf die Arbeit in der Koalition auswirkt, wird sich auch zeigen müssen. Eine Abschaffung der Rente mit 63 wird es beispielsweise mit der SPD nicht geben, wie auch Kanzler Scholz betonte.

„Wer scheiße guckt, der fährt auch scheiße“

Die FDP tritt trotzdem selbstbewusst auf – gegenüber der Opposition, aber auch den Koalitionspartnern. Letzten Endes kommt es aber auch darauf an, dass man die Wähler damit überzeugt. Die Europawahl am 9. Juni wird die erste Standortbestimmung sein. Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann sieht sich die Partei gut aufgestellt. Strack-Zimmermann selbst warb, gewohnt markig, dafür, nicht zu sehr auf die Umfragwerte zu blicken: „Ich halte es da mit meinem Motorradlehrer, der gesagt hat: Guckst du scheiße, fährst du scheiße“, sagte sie. Wahrscheinlich trotzdem mit der Hoffnung, dass die Partei nach diesem Parteitag wieder gerne auf Umfragen schaut. Alles andere wäre ein herber Dämpfer für die neue Ausrichtung der FDP.

− mgb