Humza Yousaf
Gesundheitsminister wird neuer schottischer Regierungschef

28.03.2023 | Stand 28.03.2023, 7:27 Uhr |

Humza Yousaf - Humza Yousaf soll Nachfolger von Nicola Sturgeon werden. - Foto: Andrew Milligan/PA Wire/dpa

Die scheidende Regierungschefin Nicola Sturgeon steht wie niemand anders für Schottlands Streben nach Unabhängigkeit. Nun tritt Parteikollege Humza Yousaf in ihre Fußstapfen. Seine Wahl ist historisch.

Humza Yousaf heißt der neue Mann an der Spitze Schottlands. Nach mehr als acht Jahren mit Nicola Sturgeon als «First Minister» des nördlichsten britischen Landesteils bekleidet nun erstmals ein Muslim das Amt. Vor der blau-weißen Flagge steht der 37-Jährige an einem Podium und kann sich das breite Lächeln kaum verkneifen.

«Ich fühle mich wie der glücklichste Mann der Welt», sagt er wenige Minuten, nachdem er erfahren hat, dass er sich gegen seine deutlich konservativeren Rivalinnen - Finanzministerin Kate Forbes und Ex-Ministerin Ash Regan - durchgesetzt hatte. Sein Land als «First Minister» regieren zu dürfen, werde die größte Ehre seines Lebens sein, sagt Yousaf.

Yousaf setzt weiter auf Loslösung von Großbritannien

Nachdem Sturgeon aus persönlichen Gründen zurückgetreten ist, schlägt Schottland mit Yousaf ein neues Kapitel auf. Ob dieses die in Teilen der Bevölkerung ersehnte Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich führen wird, ist allerdings völlig offen. Kann Yousaf den Schwung bringen, den die Bewegung dringend benötigt? «Wir werden die Generation sein, die Schottland die Unabhängigkeit bringt», gibt sich der SNP-Politiker nach seiner Wahl siegessicher. Gleichzeitig will er ein «First Minister für alle» sein - also auch für die Gegner der Abspaltung, die Yousaf direkt in seiner ersten Rede persönlich anspricht: «An Euch gerichtet: Ich will Euer Vertrauen gewinnen.»

Da London ein neues Referendum für eine Unabhängigkeit blockiert und auch der Supreme Court - das höchste britische Gericht - dem Bestreben zuletzt einen Dämpfer verpasst hat, scheint das angestrebte Ziel zunächst in weite Ferne gerückt. Gleichzeitig sind viele der Meinung: Der Brexit und seine Folgen haben das Anliegen umso dringender gemacht. «Die Menschen in Schottland brauchen die Unabhängigkeit mehr denn je», ist auch Yousaf überzeugt.

«Der Brexit hat die Motivation, unabhängig zu werden, deutlich erhöht, aber auch die Hürden», hält der Polit-Stratege Stephen Noon im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur fest. Beim ersten Unabhängigkeitsreferendum 2014, bei dem sich eine Mehrheit der Schotten dagegen aussprach, leitete er die Strategie der «Yes»-Kampagne. Nun würde Noon «einen anderen Weg als 2014» wählen. Statt möglichst schnell über die Unabhängigkeit abstimmen zu lassen und auf eine knappe Mehrheit zu hoffen, ist er dafür, Zweifler eher inhaltlich zu überzeugen und erst abstimmen zu lassen, wenn sich klare Verhältnisse zugunsten der Unabhängigkeit gebildet haben.

Erstmals ein Muslim an der Spitze der Regierung

Die Wahl von Yousaf als ersten schottischen Regierungschef einer ethnischen Minderheit ist auch ein Symbol. Die Schotten definieren sich als Gesellschaft, die Einwanderung wirtschaftlich wie kulturell schätzt und benötigt, weshalb viele Bürger den von London propagierten Anti-Migrations-Kurs ablehnen.

Seine Großeltern hätten sich zu ihren Lebzeiten niemals träumen lassen, dass er einmal Schottland regieren würde, sagte Yousaf in seiner emotionalen Rede. Der Minister für Verfassungsfragen Angus Robertson sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist eine weiterer historischer Durchbruch durch eine gläserne Decke, nachdem Nicola Sturgeon acht Jahre lang die erste weibliche Regierungschefin Schottlands gewesen ist.»

Viele Baustellen für Yousaf

Für Yousaf gibt es neben dem Projekt Unabhängigkeit noch eine Menge anderer Baustellen. Der staatlich finanzierte Gesundheitsdienst NHS ist in marodem Zustand, wofür er als bisheriger Gesundheitsminister mitverantwortlich gemacht wird. Die Folgen des Ukraine-Kriegs treiben wie überall die Preise in die Höhe, gleichzeitig wird in vielen Branchen für höhere Löhne gestreikt. Zudem hat Schottland traditionell mit einem außerordentlich hohen Niveau an Alkohol- und Drogentoten zu kämpfen.

Nach einem aufreibenden Wahlkampf gilt es, die Partei zu einen. In den vergangenen Wochen hat sich die SNP - oft als relativ geräuschlose, erfolgreiche Wahlkampfmaschine beschrieben - von einer weniger ruhmreichen Seite gezeigt. Nicola Sturgeons Ehemann Peter Murrell, der für die Finanzen der Partei verantwortlich war, musste nach Ungereimtheiten und Kritik den Hut nehmen. Außerdem stellte sich heraus, dass die Partei nur etwas mehr als 72.000 Mitglieder hat - deutlich weniger als zuvor angenommen.

Und Sturgeon selbst? Die scheidende Regierungschefin macht derzeit den Führerschein und wird einfache Abgeordnete bleiben. «Sie wird nicht verschwinden», ist Stratege Noon sicher. Sollte es in einen neuen Wahlkampf für die Unabhängigkeit gehen, werde sie sicher den Hörer in die Hand nehmen und ihre Netzwerke daheim und in aller Welt nutzen. Vorerst wünscht die 52-Jährige ihrem Nachfolger, der mit einer progressiven Agenda als ihr Wunschkandidat gilt, viel Erfolg. «Er wird ein überragender "First Minister" sein, und ich könnte nicht stolzer sein, dass er mir nachfolgt», schrieb Sturgeon auf Twitter.

© dpa-infocom, dpa:230327-99-98870/11

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