Geld, Gewalt, Gerechtigkeit?
Von Hauptvorwürfen freigesprochen: Lediglich 81.000 Euro Strafe für Bushidos Ex-Manager

05.02.2024 | Stand 05.02.2024, 19:10 Uhr

Bushido (li.) und Arafat Abou-Chaker im Jahr 2010 – da war die beiden noch „Brüder“. Inzwischen treffen sie sich regelmäßig vor Gericht. − Symbolbild: Jens Kalaene/dpa

Rapper Bushido und sein Ex-Manager haben viel Geld verdient. Nach ihrer Trennung gibt es darum Streit. Auch von Gewalt und anderen Straftaten ist die Rede. Am Ende eines jahrelangen Prozesses bleiben immense Kosten für die Staatskasse.



Rapper Bushido contra Ex-Manager Arafat Abou-Chaker: Rund dreieinhalb Jahre hat die Trennung der einstigen Weggefährten das Landgericht Berlin wegen möglicher Gewalt und anderer Straftaten beschäftigt. Am Ende steht lediglich eine Geldstrafe für den 47-Jährigen, der als Berliner Clan-Chef gilt. Allerdings nur, weil er heimlich Gespräche mitgeschnitten hat. 81.000 Euro (90 Tagessätze von jeweils 900 Euro) muss Abou-Chaker wegen 13 Fällen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zahlen. Zugleich bekommt er eine Haftentschädigung für rund zwei Wochen Untersuchungshaft – und muss nur einen Bruchteil der immensen Prozesskosten zahlen. Der Rest fällt der Staatskasse zur Last.

Wem glaubt das Gericht?



Zentrale Frage in dem Prozess war: Wem glaubt das Gericht? Was in der Beziehung Bushidos zu seinem Ex-Manager, den er früher „Bruder“ nannte, war freiwillig – und was nicht? Das Gericht machte am Montag – dem 114. Verhandlungstag – klar: Es ist nicht überzeugt von der Aussage Bushidos, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi. „Keine Glaubhaftigkeitskriterien stützen die Aussage zweifelsfrei“, so Richter Martin Mrosk.

Der Rapper war in dem Strafverfahren Zeuge und Nebenkläger – und ein Großteil der Vorwürfe basierte auf seinen Aussagen. Zur Urteilsverkündung blieb der Platz des 45-Jährigen leer. An 25 Tagen hatte Bushido – teils unter Tränen – die Beziehung zu Abou-Chaker als „Zwangsehe“ bezeichnet.

Sein Ex-Manager soll nach der Trennung 2017 von dem Rapper eine Millionenzahlung gefordert haben. Eskaliert sein soll die Situation am 18. Januar 2018: Bushido sagte aus, er sei gegen seinen Willen festgehalten worden. Dabei sollte er beleidigt, bedroht und auch mit einer Plastikflasche und einem Stuhl attackiert worden sein. Die Anklage hatte Abou-Chaker unter anderem versuchte schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, Nötigung sowie gefährliche Körperverletzung und schwere Untreue vorgeworfen.

„Eine versuchte räuberische Erpressung scheidet aus rechtlichen Gründen aus“, so der Richter. Abou-Chaker habe von Ansprüchen ausgehen können. Über Monate seien Verhandlungen zur Trennung gelaufen. Dem Ex-Manager könne nicht unterstellt werden, dass er keine Zahlungsansprüche hatte.

Aus Sicht des Gerichts ist auch die Freiheitsberaubung nicht nachweisbar. Möglicherweise sei es beim Abschließen des Büros nur darum gegangen, ein Gespräch in Ruhe führen zu können. Auch für eine gefährliche Körperverletzung habe sich die Kammer nicht die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugung bilden können, so Richter Mrosk.

Das Gericht sah Widersprüche in den Aussagen Bushidos und seiner Ehefrau Anna-Maria Ferchichi. So habe der Rapper angegeben, Anfang 2019 aus Angst um seine Familie bei der Polizei ausgesagt zu haben. Für die Kammer sei jedoch nicht nachvollziehbar, „warum er diesen Schritt nicht früher ging“, sagte Mrosk. Möglicherweise habe der Rapper überzogen, um eine bessere Position in dem Trennungsstreit zu haben.

Erleichterung bei Angeklagten



Arafat Abou-Chaker, fünffacher Vater mit deutscher Staatsangehörigkeit, nickte während der Urteilsverkündung immer wieder. Auch seine mitangeklagten drei Brüder im Alter von 42, 46 und 53 Jahren wirkten erleichtert. Sie wurden ebenfalls freigesprochen. Bei einem Bruder wurde von einer Strafe abgesehen im Fall einer falschen eidesstattlichen Versicherung.

Stets im modischen sportlichen Outfit waren sie Monat um Monat zum Prozess erschienen. Zu den Vorwürfen haben die Angeklagten geschwiegen, konnten sich Zwischenrufe jedoch manchmal nicht verkneifen. „Endlich hat Gerechtigkeit gesiegt“, sagte Arafat Abou-Chaker nach dem Urteil beim Verlassen des Gerichtssaals.

Prozess unter strengen Sicherheitsvorkehrungen



Seit August 2020 hatte das Gericht versucht, den Fall aufzuklären. Der Prozess erfolgte unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, Bushido wurde unter Polizeischutz zur Verhandlung gebracht. Manch einer sah in dem Verfahren einen lang erhofften Schlag gegen Clankriminalität, weil der Musiker keine Angst zeigte. Das ist bei vielen Prozessen gegen Mitglieder von Großfamilien, die mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden, anders. Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

Staatsanwaltschaft zeigt sich enttäuscht



Oberstaatsanwältin Petra Leister zeigte sich enttäuscht. „Wir werden das Urteil sicher überprüfen“, sagte sie. Sie hatte für den Hauptangeklagten eine Gesamtstrafe von vier Jahren, drei Monaten und einer Woche Haft gefordert. Für dessen Brüder beantragte sie Gesamtstrafen von sieben Monaten auf Bewährung bis zwei Jahren und einem Monat Haft. Es habe viele Zeugen gegeben, die eigentlich nichts mit der Sache zu tun haben wollten. „Die nichts gesehen, nichts gehört haben“, so Leister.

Die Verteidigung hatte Freisprüche gefordert. Keine der angeklagten Straftaten seien erwiesen, die dem Rapper widerfahren sein sollten. Nach dem Urteil zeigten sie sich zufrieden. Ihre Anwälte seien ein „tolles Team“, so die Brüder.

Weitere Prozesse in Berlin und Brandenburg



Ob das Urteil rechtskräftig wird, ist noch offen. Der Streit ums Geld geht in jedem Fall weiter. Dem Kammergericht liegt ein Fall vor, wonach Abou-Chaker knapp 1,8 Millionen Euro plus Zinsen an Bushido zurückzahlen soll. Hintergrund ist, dass es aus Sicht der Richter keinen Managementvertrag zwischen den beiden gegeben hat. Der Rapper hätte deshalb seinem damaligen Geschäftspartner die Summe nicht zahlen müssen. Vor dem Oberlandesgericht in Brandenburg (Havel) streiten die beiden nach ihrer Trennung um Ausgleichszahlungen für Häuser, die sie gemeinsam in Rüdersdorf erworben hatten.