Einordnung
Kriminalpsychologe: Getötete Luise (12) „sehr ungewöhnlicher“ Ausnahmefall

15.03.2023 | Stand 16.03.2023, 7:16 Uhr

In der evangelischen Kirche von Freudenberg liegt ein Kondolenzbuch für das ermordete Mädchen Luise aus, in das sich Bürger einschreiben. Die Bürgermeisterin hat sich als eine der ersten eingetragen. −Foto: Roberto Pfeil/dpa

Der Kriminalpsychologe Rudolf Egg hat die Tötung der zwölfjährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg als sehr seltenen Ausnahmefall eingestuft.



Dass Mädchen im Kindesalter töten, sei „sehr, sehr ungewöhnlich“, sagte Egg (74) am Mittwoch in einem Interview im WDR-Hörfunk. In seiner Laufbahn habe er einen solchen Fall nicht gehabt, sagte der langjährige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden - der zentralen Einrichtung des Bundes und der Länder für kriminologische Forschungsfragen.

Kinder gestehen Tötung



Die geständigen Mädchen (12/13) stünden am Anfang ihres Lebens. „Man muss ihnen jetzt nicht das gesamte Leben verbauen“, sagte Egg. „Auch wenn sie moralisch sehr schwere Schuld auf sich geladen haben.“ Zu einem Zeitpunkt, der noch zu bestimmen sein wird, werde man den Mädchen die Hand reichen müssen, sagte der Kriminologe und Rechtspsychologe aus Wiesbaden.

„Das muss schon Konsequenzen haben“



Bei Kindern stehe nicht die Bestrafung, sondern die Erziehung und Entwicklung im Vordergrund. „Das bedeutet aber nicht, dass die Tat ohne Konsequenzen bleibt. Dass man einfach so zur Tagesordnung übergeht, das geht natürlich nicht“, sagte Egg. „Das muss schon Konsequenzen haben.“

Zuständig seien jetzt die Jugendämter. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familien eine Erziehungsbetreuung bekommen. Man kann auch über das Sorgerecht streiten“, sagte Egg. Die Tat bedeute auch einen massiven Einschnitt für die kleine Kommune. Man werde sich fragen müssen, ob die Mädchen weiter in die gleiche Klasse gehen können.

Weiterhin kein regulärer Unterricht an Schule



An der Schule der getöteten 12-Jährigen in Freudenberg nehmen sich Schüler und Lehrer weiterhin viel Zeit für Gespräche. Normaler Unterricht finde noch nicht wieder statt, sagte Christoph Söbbeler, Sprecher der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. „Die Schule ist im Moment der Ort, an dem für die Schülerinnen und Schüler Austausch und Trauer möglich sind.“ Nachdem bekannt wurde, dass Luise wohl von zwei 12- und 13-jährigen Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis erstochen wurde, sei der Gesprächsbedarf noch einmal groß, sagte Söbbeler.

Schule als geschützter Raum



Die Kinder und Jugendlichen seien den ganzen Schultag mit ihren Klassenlehrern zusammen. „Es gibt Halt, in gewohnter Umgebung mit vertrauten Menschen zusammen zu sein - gerade jetzt, wo andere Gewissheiten zusammengebrochen sind“, sagte Söbbeler. Psychologen und Fachleute der Bezirksregierung seien weiterhin an der Schule - auch um die Lehrer zu unterstützen. Lehrer bekämen etwa Vorschläge, wie sie ein gutes Gespräch mit ihren Klassen anstoßen und auf die Emotionen der Schüler reagieren könnten. Weitere Details nannte er nicht. „Es ist wichtig für alle, dass die Schule jetzt ein geschützter Raum ist.“

Bei der Frage, wann die Klassen wieder zum normalen Unterricht zurückkehren, lasse man der Schule große Freiheiten. „Es ist kein Zwang da, ins Stundenplan-Korsett zurückzukehren.“ Jede Klasse könne erstmal für sich entscheiden, ob normaler Unterricht wieder hilfreich sei oder nicht.

Weiter keine Spur von der Tatwaffe



Unterdessen hat die Polizei die Tatwaffe weiterhin nicht gefunden. Mehr als 30 Beamte hatten das Gebiet rund um den mutmaßlichen Tatort im Grenzgebiet von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen am Dienstag noch einmal durchsucht - aber ohne Erfolg, wie die Staatsanwaltschaft Koblenz am Mittwoch mitteilte.

− dpa