100. Geburtstag des Künstlers
Beuys-Meisterschüler in Traunreut und Tyrlaching

13.10.2021 | Stand 21.09.2023, 1:15 Uhr
Axel Effner

Im Beisein des Beuys-Meisterschüler Johannes Stüttgen (rechts) brachten Projektmanager Lothar Müller und Baumpatin Alexandra Uhrmann eine Messingplakette am Basaltstein an. Sie soll an die Pflanzaktion "7000 Eichen zu Ehren von Joseph Beuys" im Frühjahr in der Dorfmitte von Tyrlaching im Landkreis Altötting erinnern. −Foto: Effner

Im Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys, der als "Jahrhundertkünstler" für kontroverse Diskussionen und epochale Werke gesorgt hat, ist das Andenken an den "Mann mit dem Filzhut" auch in der Region sehr lebendig. Dazu trägt nicht zuletzt die 2012 ins Leben gerufene Aktion "Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys" bei. Deren ermutigende Bedeutung für die Gesellschaft zeigte sein Meisterschüler Johannes Stüttgen bei zwei Jubiläumsveranstaltungen mit Diskussion in Traunreut und Tyrlaching auf.

Diese standen in Zusammenhang mit der Reihe "100 Jahre Joseph Beuys – In jedem Detail das Ganze" mit Vorträgen unter anderem in zwei Museen, den Kammerspielen und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München sowie im Meta Theater in Moosach.

Rund 13 Beuys-Eichen samt Basaltstele zieren inzwischen das Stadtgebiet von Traunreut. Zu verdanken ist dies unter anderem der Initiative des Förderkreises des Museums Das Maximum und dessen Stifter Heiner Friedrich. Sie führen die Gedanken der Beuys-Aktion "7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" fort, mit der der Künstler 1982 auf der Kunstausstellung "Documenta" in Kassel weltweit für Aufsehen gesorgt hat.

Grundidee ist, mit der symbolhaften Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft ein Zeichen für die gesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit Natur, Umwelt und Mitmensch zu setzen. Der tote Stein der Millionen Jahre alten Basaltsäule wird als Wächter dem lebendigen Jungbaum beigesellt, dessen Kraftentfaltung und Wuchs erst noch im Werden begriffen ist. Durch seine besonderen Fähigkeiten des Denkens und der Kreativität ist aus Beuys Sicht jeder Mensch ein Künstler, der im Sinne seiner Definition von "Sozialer Plastik" die Aufgabe hat, gemeinsam an der Gestaltung der Welt und am Wohl des Menschen mitzuarbeiten.

Ganz praktisch verkörpern dies die Baumpaten der Eichenpflanzungen im Chiemgau. Aus ihnen ist inzwischen ein Netzwerk entstanden, das Generationen, soziale Gruppen und Funktionsträger verbindet. Deutlich greifbar wird dies auch in der jüngsten Eichenpflanzung in der Traunreuter Jugendsiedlung, bei der Jugendliche, Kinder und Senioren mitgewirkt haben. Weitere Eichenpflanzungen in dieser und den kommenden Wochen sollen den Gedanken bayernweit verankern.

An die Vernetzung der Projektbeteiligten und die Leuchtturmfunktion über die Stadtgrenzen hinaus erinnerte Kulturreferentin Steffi Gampert bei der Begrüßung von Johannes Stüttgen im Veranstaltungszentrum k1 zusammen mit dessen Leiterin Anke Hellmann. Bei seinem Vortrag "Joseph Beuys – die unsichtbare Skulptur" machte der Meisterschüler von Beuys deutlich, dass die Eichenpflanzungen einen viel umfassenden Ökologiebegriff inklusive gesellschaftlicher Erneuerung deutlich machen sollen. Dafür stehe auch der "Omnibus für direkte Demokratie", der die Jubiläumstour begleitet hat. Die gegenwärtige Klimakrise sei die Folge eier Wirtschaftsweise, die sich an globalem Konsum, Profitmaximierung und Ausbeutung orientiere.

Aus ihr resultiere auch die aktuelle Gesellschaftskrise, so Stüttgen. Statt wie bisher Erkenntnisgewinn aus Spezialisierung und Expertentum zu ziehen, sei es notwendig, die eigene Unfähigkeit zu erkennen und "aus dem eigenen Inneren heraus ganz neu denken zu lernen". Als kreativer Katalysator verbinde dabei die Kunst Individuum und Gesellschaft und fördere die Vorstellungskraft für neue Ideen. Beim Rundgang durch Traunreut erläuterte Birgit Löffler in Begleitung ihrer Nachfolgerin als Museumsleiterin, Maria Schindelegger, die Hintergründe der Eichenpflanzungen.

Auch in Tyrlaching im Landkreis Altötting soll die Eichenpflanzung als Sinnbild für das Projekt "Lebendige Dorfmitte" mit dem neuen Wirt z’Dirling und dem Bürgersaal seit diesem Frühjahr Vergangenheit und Zukunft verbinden. Jetzt brachten Projektmanager Lothar Müller, der auch die Eichenpflanzung koordiniert, und Alexandra Uhrmann, Vorsitzende der Katholischen Jandjugendbewegung im Beisein von Ehrengästen und von Beuys-Schüler Johannes Stüttgen zur Erinnerung an die Pflanzaktion ein Messingschild am Basaltstein an.

Zweiter Bürgermeister Matthias Wolferstetter erinnerte an die uralte Tradition, mit einem Baum, Gedenkstein oder Brunnen die Dorfmitte als sozialen Treffpunkt zu markieren. Tittmonings Bürgermeister Andreas Bratzdrum sah gute Chancen, "dass das prominente Beuys-Projekt künftig ganz neue Besucher in den Ort ziehen wird". In seinem Vortrag "Unser Auftrag kommt aus der Zukunft" im Bürgersaal bezeichnete Johannes Stüttgen die Eichensetzung in Tyrlaching als "Symbol dafür, was im Mittelpunkt unseres Herzens steht: ein neuer Auftrag für die Zukunft".

Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte KLJB-Vorstand Alexandra Uhrmann aus Tyrlaching: "Ich hatte anfangs mit Kunst nicht viel am Hut. Dann war ich aber erstaunt, wie das Beuys-Projekt uns als Mitmachkultur gezeigt hat, was wir gemeinsam bewegen und verändern können, um so hier auf dem Dorf etwas ganz Neues schaffen. So ein Zukunftsprojekt macht uns auch als Jugendlichen Mut."

Axel Effner