Landtag
Turbulenter Streit nach umstrittenen Aiwanger-Äußerungen

14.06.2023 | Stand 15.06.2023, 23:10 Uhr

Demonstration gegen Klima-Politik der Ampelregierung - Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf der Kundgebung in Erding. - Foto: Matthias Balk/dpa

Knapp vier Monate vor der Wahl hat der Wahlkampf den Landtag voll erfasst. So sehr sich die CSU zuletzt von Äußerungen Hubert Aiwangers distanziert hatte - im Parlament sind die Fronten wieder völlig klar.

Die umstrittenen Äußerungen von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf einer Kundgebung haben zu heftigem Streit und turbulenten Wortgefechten im Landtag geführt. Aiwanger wiederholte seine viel kritisierte Forderung vom Wochenende, dass die Menschen sich die «Demokratie zurückholen» müssten, in einer Regierungserklärung am Mittwoch zwar nicht. Er ging aber auch nicht auf die breite Kritik daran auch vom eigenen Koalitionspartner CSU ein. Die Grünen forderten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf, Aiwanger zu entlassen. Die SPD rief den Wirtschaftsminister auf, von sich aus zurückzutreten.

Aiwanger war für seine Äußerung vor 13.000 Menschen am Samstag in Erding, die an bekannte AfD-Wortwahl erinnerte, parteiübergreifend scharf kritisiert worden. Auch die CSU hatte Aiwanger dafür gerügt, öffentlich und auch intern in einer Kabinettssitzung am Dienstag.

Am Mittwoch standen CSU und Freie Wähler im Landtag aber wieder eng zusammen. Knapp vier Monate vor der Landtagswahl holte Aiwanger zu einem neuen Rundumschlag gegen die Ampel-Parteien aus. Der Freie-Wähler-Chef warf SPD, Grünen und FDP in der Bundesregierung unter anderem eine «Deindustrialisierungspolitik», eine fehlgeleitete Wirtschafts- und Energiepolitik und einen «beschränkten Horizont» vor. Auch vom Koalitionspartner CSU bekam Aiwanger lauten Applaus - die CSU setzt, wie auch die Freien Wähler, auf eine Fortsetzung der seit 2018 amtierenden Koalition nach der Landtagswahl am 8. Oktober.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze warf Aiwanger vor, die Menschen mit seiner Wortwahl gegen die parlamentarische Demokratie aufzuwiegeln. Das sei unwürdig. Der Freie-Wähler-Chef entspreche damit der Lehrbuchbeschreibung eines astreinen Rechtspopulisten und geistigen Brandstifters. Söder trage als Ministerpräsident Verantwortung für sein Kabinett - er müsse Aiwanger entlassen.

Söder, der für seine eigene Teilnahme an der Erdinger Kundgebung ebenfalls kritisiert worden war, war zu Aiwangers Regierungserklärung und der anschließenden Debatte allerdings nicht in der Plenarsitzung.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn forderte Aiwanger in dessen eigenen Worten vom Samstag zum Rücktritt auf: «Wenn Sie noch einen Funken Anstand haben, sollten Sie von sich aus von Ihrem Amt zurücktreten.» Aiwangers Auftritt sei primitiv, rüpelhaft und unterstes Niveau gewesen. «Das war falsch, das war beschämend, und das hat dem Ansehen des Freistaats Bayern schwer geschadet.»

Gerd Mannes (AfD) fragte, warum ein Wirtschaftsminister zurücktreten solle, wenn er nach viereinhalb Jahren einmal eine vernünftige Rede gehalten habe. Schulze wertete dies als Bestätigung ihrer vorherigen Kritik: «Wenn man die Geister ruft, dann sind sie da.»

Aiwanger erneuerte in der schon länger geplanten Regierungserklärung unter anderem die Forderung nach drastischen Steuersenkungen, insbesondere forderte er einen Industriestrompreis von nur noch vier Cent netto. Im Moment seien die Steuern in Deutschland viel zu hoch, viele Firmen drohten abzuwandern. Die Bundesregierung verdiene also momentan mit am Untergang vieler Wirtschaftsbranchen, kritisierte Aiwanger. Die Ampel gefährde sehenden Auges den Wohlstand im Land.

Schulze forderte die Staatsregierung im Gegenzug auf, endlich einen klaren Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien und auf die Bekämpfung des zunehmenden Fachkräftemangels im Land zu legen.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte, die Bundesregierung habe in einem Jahr mehr für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit getan als der bayerische Wirtschaftsminister in einer ganzen Legislaturperiode. «Wenn etwas zur Deindustrialisierung geführt hat, dann ist das Ihre Energiepolitik», sagte Hagen und erinnerte an den langen, erbitterten Widerstand von Freien Wählern und CSU gegen neue Stromtrassen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Fabian Mehring, nahm Aiwanger gegen Kritik in Schutz - inhaltlich und auch bezogen auf die Erdinger Demonstration. Aiwanger stehe für die erfolgreiche Hightech Agenda, betonte er. Und: Man dürfe schon die Frage stellen, ob es demokratietheoretisch wirklich legitim sei, Politik gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung zu machen.

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