Im Bürgerkrieg wurde in Sierra Leone um Blutdiamanten gekämpft. Noch immer schuften Tausende in den Minen. Ihre Kinder leiden oft trotzdem Hunger.
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Immer wieder legt Sallay Kondeh ihren Sohn Aboubakar an ihre Brust, immer wieder schläft er dort erschöpft ein. Dem Kind fehlt die Kraft zum Trinken. Dabei bräuchte er die Milch seiner Mutter so dringend. Der zwei Monate alte Junge, der als Frühchen im siebten Monat zur Welt kam, wiegt gerade mal 2,8 Kilo und ist nur 47 Zentimeter groß. Gesunde Babys wiegen in diesem Alter rund doppelt so viel und sind bis zu zehn Zentimeter größer. Auf der Station für unterernährte Babys und Kinder im Krankenhaus der Distrikt-Hauptstadt Kenema kämpft Aboubakar jetzt um sein Leben.
„Ein Infekt kann für das Kind schnell gefährlich werden“
Als Sallay Kondeh vor einer Woche mit ihrem von Krämpfen geplagten Sohn ins Krankenhaus kam, hatte er 39,4 Grad Fieber, in seinem kleinen Körper wüteten Entzündungen, Durchfall ließ ihn immer weiter abmagern. Mit einem Schnelltest schlossen die Ärzte aus, dass Aboubakar Malaria hatte und gaben dem erschöpften Baby ein Breitband-Antibiotikum.
Die Medizin wirkte. Das Fieber sank und Aboubakar konnte die wenigen Schlucke Milch, die er mit großer Anstrengung aus der Brust seiner Mutter sog, und die Spezialnahrung, die die Krankenschwestern ihm mit einer kleinen Spritze einflößten, bei sich behalten. „Aboubakar ist schwer unterernährt.
Ausreichend Essen ist überlebenswichtig
Wenn ein derartig geschwächtes Baby einen Infekt bekommt, kann es schnell gefährlich werden“, sagt die behandelnde Krankenschwester Safinah Bokire. „Darum ist es so wichtig, dass wir dafür sorgen, dass alle Kinder und alle schwangeren und stillenden Frauen in unserem Land endlich ausreichend gesundes Essen bekommen“, fordert Bokire.
Doch Aboubakars Mutter kann sich nicht ausgewogen ernähren. Sie ist zu arm. Sie ist froh, wenn sie drei Mal am Tag eine Portion Reis mit Cassava-Blättern essen kann. Ihr Mann arbeitet in einer der zahlreichen, oft nicht registrierten kleinen Diamantenminen im Osten Sierra Leones.
Im Bürgerkrieg starben 50.000 Menschen
Im von 1991 bis 2002 währenden Bürgerkrieg mit mehr als 50.000 Toten und Millionen Vertriebenen finanzierten Regierungen, Warlords, Rebellen und Söldner ihre Armeen und Milizen mit Blutdiamanten und lieferten sich erbitterte Kämpfe um Sierra Leones Diamantenminen. 20 Jahre nach Kriegsende locken die Minen immer noch Tausende verzweifelte Glücksritter in der Hoffnung auf schnellen Reichtum an.
Viele von ihnen kommen aus dem Nachbarland Guinea. Im „Index menschlicher Entwicklung“ – einem komplexen Instrument, mit dem die Vereinten Nationen Armut und Wohlstand messen, liegt Guinea noch einen Platz hinter Sierra Leone und belegt den 182. von 191 Rängen.
Die Männer leisten in den Minen Schwerstarbeit
Gebückt und bis zu den Knien im gelben Wasser stehend, siebt Sallay Kondehs Mann in den Minenfeldern von Tongo in der sengenden Hitze jeden Tag tonnenweise schweren Boden durch ein großes Sieb und hofft, dass in den feinen Maschen endlich ein funkelnder Rohdiamant hängen bleibt. Doch es ist bereits Monate her, dass es im Sieb von Sallay Kondehs Mann funkelte. „Ich war noch schwanger, als er das letzte Mal einen kleinen Diamanten gefunden hat. Davon leben wir immer noch“, berichtet die Frau.
Wie viel ihr Mann damals für den winzigen Diamanten bekommen hat, weiß sie nicht. Doch sie weiß, dass die Händler, die den verzweifelten Schürfern die seltenen Kristalle abkaufen, ihre Not gnadenlos ausnutzen. Wer dringend Essen für sich und seine Familie braucht, hat beim Diamantenverkauf eine äußerst schlechte Verhandlungsposition. Der Vater des schwer unterernährten Aboubakars war noch nie in einer guten Verhandlungsposition.
Hoffen auf einen großen Diamanten
„Ich hoffe, dass mein Mann irgendwann doch mal einen großen Diamanten findet. Ohne diese Hoffnung könnten wir nicht leben“, sagt Sallay Kondeh. Auch wenn sie sich verzweifelt an die Hoffnung auf den großen Fund klammert, weiß sie ganz genau: Selbst wenn ihr durch Unterernährung geschwächter Sohn jemals so kräftig werden sollte, dass er die extrem anstrengende Arbeit in einer Diamantenmine bewältigen könnte, soll ihr Aboubakar niemals im gelben Schlamm nach einem besseren Leben suchen müssen. „Er soll Arzt werden. Jetzt retten die Ärzte ihm das Leben. Später soll er auch mal Leben retten“, sagt seine Mutter.
Trotz aller Sorgen muss Sallay Kondeh kichern, als sie über die Zukunft ihres Sohnes spricht, denn ihr ist bewusst: Dass der Sohn von Eltern, die selbst nur ein paar Jahre die Koranschule besucht haben, es von einer Diamantenmine in den Hörsaal einer medizinischen Fakultät schafft, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie dass ihr Mann einen 100 Karat-Diamanten findet. Aber ohne Hoffnung auf ein Wunder kann Sallay Kondeh nicht leben.
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