Freund ruft Einsatzkräfte
Mit leichtem Schlafsack im Schnee geschlafen: Für Live-Stream Polizei eine Nacht beschäftigt

08.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:27 Uhr

Auf einer Schneedecke in 1700 Meter Höhe schlief der junge Mann nur rund drei Stunden im Schlafsack. −Screenshot: Twitch

Ein 19-Jähriger aus dem Nürnberger Land hat für einen Live-Stream auf der Plattform „Twitch“ mit ungeeigneter Ausrüstung eine Nacht in 1700 Metern Höhe bei Garmisch-Partenkirchen verbracht. Weil sich Freunde Sorgen um ihn machten, beschäftigte er dabei auch stundenlang die Polizei, Mitarbeiter der örtlichen Rettungsleitstelle und die Bergwacht.



Letztlich überstand der junge Mann die Nacht auf Sonntag an der Hochalm unverletzt und wird wohl auch keine Einsatzkosten tragen müssen. Weil er die Aktion „Nackter Schneeengel“ in einem Landschaftsschutzgebiet durchführte, droht ihm eine Anzeige.

„Es ist nicht auszuschließen, dass er das nur gemacht hat, um seinen Followern einen Inhalt zu bieten“, erklärt Andreas Breitrück,
Polizeioberkommissar von der örtlichen Inspektion am Montag.

Freunde und Familie machen sich Sorgen



Die Polizei sei auf die Aktion von einem Freund des Nürnbergers aufmerksam gemacht worden, nachdem sich dieser Sorgen um den 19-Jährigen gemacht habe. „Der Freundeskreis vermutete, dass er die Aktion vielleicht nicht ganz durchdacht hat, und auch seine Familie war nicht begeistert davon“, so Breitrück. Den ersten Angaben vom Samstagabend nach sollte der junge Mann die Nacht auf Sonntag auf einem Schneefeld an der Zugspitze verbringen. Freunde berichteten, der 19-Jährige habe nur „einen leichten Schlafsack bei sich, zittere bereits und habe blaue Lippen“.

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Da die Beamten den genauen Aufenthaltsort des Mannes nicht kannten, überwachte der Dienstgruppenleiter der Inspektion Garmisch-Partenkirchen dessen Zustand über den Live-Mitschnitt im Internet. Die Polizisten informierten auch die Rettungsleitstelle, die ebenfalls anhand des Live-Streams den Zustand des 19-Jährigen im Blick hatte. Informiert worden ist zudem die Bergwacht, die aber nicht ausgerückt ist.

Temperaturen um den Gefrierpunkt



Angesichts der Temperaturen um den Gefrierpunkt oder leicht darüber – genauer war das am Montag nicht mehr nachvollziehbar – und eines Schlafsacks, der laut Andreas Breitrück für eine Nacht im Freien bei alpinen Verhältnissen nicht geeignet ist, wurde der junge Mann die ganze Nacht über übers Internet beobachtet. Gegen 5.30 Uhr am Morgen ist der 19-Jährige dann wieder zu Fuß ins Tal gegangen und wohl nach Hause gefahren. Kontakt zu Polizei oder Rettungskräften hatte er nicht: „Gesundheitlich fehlte ihm ja nichts“, so Breitrück.

Der Polizist vermutet, dass es schwierig werden wird, entstandene Einsatzkosten auf den jungen Mann umzulegen: „Dass sehen wir ja bei den Klimaklebern und da ist die Situation mit Kräften vor Ort viel eindeutiger. Da geht es schnell um die persönliche Freiheit jedes Einzelnen.“ Geprüft werde trotzdem, ob Kosten entstanden sind und ob diese von dem jungen Mann zurückverlangt werden können.

Freunde verfolgen Aktion achteinhalb Stunden



Im Nachhinein stellte sich anhand des immer noch im Internet verfolgbaren Live-Mitschnitts der Nacht heraus, dass der 19-Jährige gar nicht auf der fast 3000 Meter hohen Zugspitze übernachtet hatte, sondern auf der rund 1700 Meter hohen Hochalm zwischen der Bergstation Kreuzeck und der Bergstation Osterfelder bei Garmisch-Partenkirchen. Nachzulesen ist in den Kommentaren zum Live-Stream, dass Freunde des jungen Mannes die Aktion über achteinhalb Stunden verfolgt hatten. Manche zeigten sich dabei besorgt und forderten ihn auf, abzubrechen und doch zu einer nahe gelegenen Hütte zu gehen.

Brotzeit von der Mutter und Wasser aus der Quelle



Angesichts der 359 Nutzer, die dem 19-jährigen Nürnberger auf der Plattform „Twitch“ folgen, und 1111 Aufrufen war die Aktion mit dem Titel „Nackter Schneeengel“ allerdings nicht gerade ein durchschlagender Klickbringer. Tatsächlich unbekleidet war der junge Mann im Laufe der gesamten Aktion nicht. Lediglich rund 45 Minuten ist er nur in Badehose am Berg zu sehen, als er Wasser aus einer Quelle trinkt und seine Brotzeit verspeist, die „von meiner herzlich guten Mutter, die extra ganz früh aufgestanden ist“ zubereitet worden sei. Wie sehr es dem jungen Mann um Aufmerksamkeit gegangen ist, erklärt er gestern gegenüber der Mediengruppe Bayern (siehe Bericht unten).

Vorerst wird er sich im realen Leben mit den Behörden auseinandersetzen müssen: Da er in einem Landschaftsschutzgebiet übernachtet hatte, prüfen die Beamten laut Polizeioberkommissar Andreas Breitrück, ob er eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit bekommt.