PNP-Spendenaktion 2023
Lehrer in Sierra Leone: „Man sieht es den Kindern an, wenn sie hungrig sind“

11.12.2023 | Stand 10.01.2024, 13:36 Uhr

Lesen, Schreiben, Kochen: Dorflehrer Mahmud S’ Masaquoi (35) erklärt den Kindern, was sie für eine gesunde Ernährung brauchen und woher sie es bekommen. Er hilft dabei, die Projekte der Welthungerhilfe im Dorf Woloma umzusetzen. − Foto: Eva Fischl

Eigentlich unterrichtet Mahmud S’ Masaquoi Lesen, Schreiben und Naturwissenschaften an der Grundschule in Woloma. Doch seit Kurzem stehen auch Ernährung und Kochen auf dem Stundenplan. So sollen die Schüler lernen, wie sie besser und gesünder durchs Leben kommen.

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Was Hunger und Unterernährung in einer Gemeinde anrichten können, dafür hat Lehrer Mahmud S’ Masaquoi (35) eine traurige Statistik parat. Die rund 600 Bewohner des Dorfes Woloma im Osten von Sierra Leone mussten sich in den vergangenen fünf Jahren von dreizehn Kindern in ihrer Gemeinschaft verabschieden. „Wir haben fünf Mädchen und acht Jungen verloren. Sie alle starben an den Folgen von Unterernährung“, sagt der 35-Jährige. „Der ständige Hunger hat ihr Immunsystem geschwächt – eine Cholera-Infektion oder das Malaria-Fieber waren dann ihr Todesurteil.“

Bürgerkrieg und Ebola haben Menschen mürbe gemacht

Die meisten Menschen in Woloma leben von der Landwirtschaft. Doch der lange, blutige Bürgerkrieg und die Ebola-Epidemie haben viel altes Wissen und Strukturen zerstört. Die Ernteerträge reichten nicht mehr aus, um die Bewohner zu ernähren. „Den Menschen hier fehlt es an Wissen, an Werkzeugen, an Geld, neues Saatgut oder Setzlinge zu kaufen. Hier hatte niemand mehr Langzeitpläne. Jeder kämpfte Tag für Tag nur ums Überleben“, erzählt Mahmud S’ Masaquoi.

Diesen Teufelskreis aus Armut, Hunger und Tod will der Lehrer nun durchbrechen. Seit das Dorf Woloma Teil der „Nutrition Smart CommUNITYs“-Initiative der Welthungerhilfe ist, hat sich viel zum Positiven geändert. „Das Projekt ist immens wichtig für unser Dorf“, weiß Mahmud S’ Masaquoi. Die Hilfsorganisation und ihr lokaler Partner MoPADA haben begonnen, die Menschen zu schulen, ihnen wichtige Zusammenhänge in Sachen ausgewogene Ernährung, Hygiene und Gesundheitsvorsorge zu erklären und ihre kleinbäuerlichen Strukturen zu stärken, damit sie aus eigener Kraft ausreichend gesunde Lebensmittel produzieren können.

Wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag



Ein wichtiger Schritt gleich zu Beginn war die Einführung einer Schulspeisung. „Man sieht es den Kindern an, wenn sie hungrig sind. Und das war meistens der Fall. Sie konnten sich im Unterricht oft nicht konzentrieren, hörten nicht richtig zu, lernten nicht mit“, erzählt Mahmud S’ Masaquoi. „Unser Ziel ist es nun, dass die Kinder wenigstens eine warme, nährstoffreiche Mahlzeit am Tag erhalten“, erklärt der Dorflehrer. „Seit wir das machen, ist es besser geworden.“

Die Regierung helfe mit Schulmaterial, Reis, Bohnen, Öl oder Salz aus. Noch seien die Portionen klein und es reiche auch nicht immer für alle aus. Doch ein Anfang sei gemacht. Mahmud S’ Masaquoi verweist stolz auf den Schulgarten, in dem verschiedene Gemüsesorten angebaut werden. Diese lassen sich für die Schulmahlzeiten verwenden. „Wir zeigen den Schülern, was wo wächst, wie sie das Gemüse zubereiten und das Beste aus den Pflanzen herausholen können.“ Dank Kleinvieh und Geflügel gebe es auch Eier und – sehr selten – auch mal Fleisch oder Fisch.

Mit gutem Beispiel Nachbarn animieren

Für die Kinder steht jetzt auch Kochen auf dem Stundenplan. „Mit zehn, elf Jahren fangen wir an. In diesem Alter verstehen die Kinder es schon und können ihr Wissen dann zuhause an ihre Eltern weitergeben“, erklärt der Lehrer. „Wir sagen auch den Eltern, was sie machen sollen. Das ist wichtig. Es hören zwar noch nicht alle zu, aber es werden mehr“, sagt Mahmud S’ Masaquoi und lacht. Er hofft, dass es mit guten Beispielen funktioniere. „Wenn die Menschen sehen, dass es den Nachbarn besser geht, dann machen sie es nach.“

Je mehr Wissen ins Dorf gelangt, umso besser. Und die Bildung der Kinder sei ein Schlüssel zum Erfolg, findet Lehrer Mahmud S’ Masaquoi. Dass das Projekt wirkt, zeigt für ihn auch ein Blick in die Statistik. Seit Woloma im Frühjahr dieses Jahres Teil des Welthungerhilfe-Projekts ist, sei kein Kind mehr gestorben.