Münchner Notizen
Die Freien Wähler drehen den Spieß um

19.04.2024 | Stand 19.04.2024, 17:47 Uhr

Ein 10-Punkte-Programm für den Wohnungsbau in Bayern haben die Freien Wähler vorgelegt. − Foto: dpa

„Unser Land kann mehr“, hieß es im Februar in einem Wirtschaftspapier der CSU-Landtagsfraktion – ein klarer Affront gegen den Koalitionspartner und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Dass es der CSU in dem Positionspapier tatsächlich um Wirtschaft ging, kann man glauben – muss man aber nicht.

Aiwanger war zu jener Zeit ausgesprochen erfolgreich im Land unterwegs, sprach bei vergrätzten Bauern und verzweifelten Mittelständlern, kümmerte sich um Borkenkäfer und Wölfe – und griff die CSU damit genau dort an, wo sie über Jahrzehnte selbst so erfolgreich unterwegs war: Aiwanger versprach allseits hemdsärmelige Lösungen. Spätestens seit der Landtagswahl ist allen in der CSU klar, dass Aiwanger damit für sie zum Mega-Problem zu werden droht. Deshalb, so der Plan der CSU-Oberen, sollte Aiwanger derart mit Arbeit eingedeckt werden, dass ihm keine Zeit mehr fürs Demo-Hopping bleibt. Regelmäßig soll er in die CSU-Fraktion zum Rapport, im Kabinett wird er mit Stellungnahmen überhäuft und die CSU-Fraktion steuerte eben jenes Positionspapier bei, das geradezu herkulische Aufgaben für den Wirtschaftsminister auflistet: Von einer umfassenden Technologietransferstrategie über eine Außenwirtschaftsstrategie und einen umfassenden Bürokratieabbau bis zur Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit der Energie sollte Aiwanger liefern. Aiwanger nahm den Affront halbwegs gelassen hin.

Doch diese Woche drehten die Freien Wähler den Spieß um: Ihre Landtagsfraktion beschloss einen 10-Punkte-Plan für den Wohnungsbau, in dem festgestellt wird, „die Wohnungsknappheit in Bayern spitzt sich zu“, schon heute fehlten rund 200000 Sozialwohnungen. „Die Staatsregierung hat die Wohnungsbauförderung deutlich gestärkt. Doch zeigen die Maßnahmen noch nicht die gewünschte Wirkung “ – wer mag, kann das durchaus als Affront und Retourkutsche gegen Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder verstehen, der schließlich 2018 in einer Regierungserklärung 500.000 neue Wohnungen bis 2025 ankündigte.

Oder gegen CSU-Bauminister Christian Bernreiter, der wie ein paar andere in der CSU nicht gerade Mitglied im „Freundeskreis Freie Wähler“ ist und sich nun um allerhand Dinge zu kümmern hat: Unter anderem fordern die Freien Wähler, er solle die Kaufnebenkosten für Wohneigentum deutlich senken, für ein wohnungsbaufreundliches Baurecht sorgen und sich um die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer kümmern. Damit dürfte endgültig der Ton innerhalb der Bayernkoalition gesetzt sein für die Europawahl in diesem und die Bundestagswahl im kommenden Jahr.