Fieber ist eigentlich gut
Das Kind ist krank: Wann man zum Kinderarzt muss - und wie Eltern sich selbst helfen können

24.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:13 Uhr |

Wann muss das Kind zu einem Kinderarzt - viele Eltern sind sich unsicher. −Foto: dpa

Eltern, die keinen Arzt für ihr krankes Kind finden, und Kinderärzte, die bereits am Limit arbeiten - das Problem ist nicht neu, hat sich nur verstärkt. Wann ein krankes Kind zum Kinderarzt muss oder wie Eltern eventuell selbst helfen können, verrät Dr. Dominik Ewald.





Erfahrene Eltern wissen: Man muss nicht mit jedem Schnupfen oder bei jedem dünneren Stuhlgang sofort zum Arzt. Bei Eltern, die in dieser Rolle zum ersten Mal stecken, ist das anders. „Wenn sich Mutter oder Vater unsicher sind, dann sollten sie sich natürlich ärztlichen Rat holen,“ sagt Dr. Dominik Ewald, Kinderarzt in Regensburg und Verbandsvorsitzender der Kinder- und Jugendärzte in Bayern. „Auch das Elterndasein ist ein Lernprozess, den wir als Kinderärzte natürlich unterstützen.“

Eltern sollen auf das Bauchgefühl hören

Generell sollten Eltern immer auf ihr Bauchgefühl hören. Wenn das Kind aber über mehrere Tage Fieber ohne ersichtlichen Grund hat oder unter Beschwerden wie Kopfschmerzen, Bauchweh, Durchfall und Übelkeit mit Erbrechen leidet, ist der Besuch beim Arzt angebracht. Ebenso bei Luftnot und auffällig schneller Atmung. Bei Krampfanfällen, Bewusstlosigkeit und schweren Verletzungen ist hingegen der Notarzt zu rufen, so Ewald.

Aber es gibt auch Symptome, die sich ohne ärztlichen Besuch in den Griff kriegen lassen. Erkältungskrankheiten nennt Ewald zum Beispiel - „sofern sie nicht mit Atemnot einhergehen.“ Spitzwegerich, Thymian und Primelwurz in Form von Hustensäften seien bei Erkrankungen der oberen Atemwege hilfreich, Prospan mit Efeuextrakt bei bronchialen Infekten. Mucosolvan löse den Schleim und Nasensprays mit Kochsalzlösung wirken abschwellend. Dr. Ewald rät: „Diese Mittel sollte man immer zuhause haben.“

Warum Fieber bei Kindern gar nicht so schlecht ist

Ebenso wie natürlich Ibuprofen oder Paracetamol. Diese entzündungshemmenden Schmerzmittel sollten aber nur eingesetzt werden, wenn es dem Kind richtig schlecht geht, wenn es schlapp ist und ganz offensichtlich leidet. Denn an sich, so verrät Dr. Ewald, ist Fieber gut bei Virusinfekten. „Viren mögen eine kalte Umgebung“, erklärt er. Mit dem Fieber, also einer Erhitzung, bekämpft der Körper die Viren, will sie abtöten. Wenn der kleine Patient sonst einen fidelen Eindruck macht oder nur leicht schlapp ist, solle man ihn laut Dr. Ewald also ruhig „ausfiebern“ lassen. „Das beschleunigt die Genesung“. Wenn Eltern aber trotzdem nicht tatenlos zusehen wollen, dann rät er zu Waden- und Kopfwickeln mit kühlen, feuchten Tüchern. Wie es schon die Omas und Uromas bei ihren Kindern machten, als die Medikamentenversorgung noch nicht so gut war. Ewald räuspert sich, als er das sagt. Er kennt natürlich die aktuelle Debatte über den Mangel an Fiebersäften. Für Eltern, die sich in Sachen Fieber unsicher sind, hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Zusammenarbeit mi der Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Uni Witten/Herdecke eine Fieber-App entwickelt. Dort bekommt man hilfreiche Tipps und Ratschläge, wie man sich richtig verhält. Zu finden ist die App im Playstore als „FeverApp“.

Auch interessant: Fiebersaft ist in Apotheken knapp: Was Eltern alternativ tun können

Manche von Omas Hausrezepten haben heute noch ihre Berechtigung. Manche aber auch nicht. Die klassische Kombination aus Cola und Salzstangen bei Magen-Darm-Infekten ist schon lange überholt, sagt Dr. Ewald . Und er erklärt, warum: Bei Durchfall ist die Darmschleimhaut entzündet und kann die Nähestoffe nicht mehr transportieren. Daher greift der Körper auf die Fettreserven zurück, die dann aber auch zu Säure umgewandelt werden, die sich wiederum im Magen ansammelt. Dort entsteht eine Übersäuerung und es kommt zum Erbrechen. Vor 20 Jahren noch war man der Meinung, bei Magen-Darm-Problemen auf feste Nahrung so gut wie möglich zu verzichten. Heute ist das widerlegt, sagt Ewald. „Viel Trinken ist das A und O. Und Traubenzucker.“ Denn der gehe über die Mundschleimhaut sofort ins Blut über, passiere gar nicht erst den Verdauungstrakt. „Der Körper wird sofort mit Energie versorgt.“ Und die braucht er für den Genesungsprozess. Ansonsten sollten sich die Patienten so normal wie möglich ernähren, um den Darm nicht an eine Mangelernährung zu gewöhnen. Hilfreich sind dabei auch gekochte Möhren, die dafür sorgen, dass die Darmabschnitte, die noch nicht entzündet sind, gesund bleiben. Geriebener Apfel bindet Giftstoffe und unterstützt den Entsäuerungsprozess.

Wenn Eltern mit gesunden Kindern zum Arzt müssen

Auch wenn sich manche Erkrankungen ohne ärztlichen Beistand in den Griff bekommen ließen - kein Kinderarzt würde einen kleinen Patienten und dessen Eltern abweisen. Sofern er noch Kapazitäten hat. In diesem Zusammenhang lobt Dr. Ewald den Freistaat Bayern. Hier gebe es keine Budgetierung der Kinderärzte. In fast allen anderen Bundesländern außer Baden-Württemberg sei das nämlich der Fall. „Die dortigen Kollegen dürfen eine bestimmte Anzahl an Scheinen ausstellen. Sind sie darüber, werden sie dafür nicht mehr bezahlt.“ Dieses Problem haben die bayerischen Kinderärzte also nicht. „Was uns so belastet, sind bürokratische Vorgaben“, so Ewald. Für ihn ist zum Beispiel es ein Unding, wenn in Kindergärten, Kitas oder Schulen „Genesenenatteste“ verlangt werden. „Dann müssen Eltern mit ihren gesunden Kindern zum Arzt und nehmen Zeit in Anspruch, die er eigentlich für ein krankes Kinder benötigen würde.“ Oder auch wenn Schulen kurz vor den Ferien Atteste verlangen, weil man befürchtet, dass frühzeitig in den Urlaub gefahren wird. „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier den Kopf hinzuhalten. Das müssen die Schulen selbst regeln.“


Dr. Dominik Ewald ist der Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte in Bayern e.V.. Dem Verband gehören rund 1.500 Mediziner an, unter denen sich neben den niedergelassenen Kinderärzten auch Klinikärzte oder Ehrenmitglieder finden.

Artikel kommentieren