Viele Engpässe
Studie: Zahl der Erwerbstätigen in Bayern sinkt bis 2035 um 700.000

15.01.2022 | Stand 20.09.2023, 7:20 Uhr

Die IT-Branche erfreut sich großer Beliebtheit. In Zukunft droht in ihr sogar ein Überangebot an Arbeitskräften, da sie bislang kaum vom demografischen Wandel betroffen ist. −Foto: Murat, dpa

Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel sind die drei großen Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft in den nächsten Jahren.



Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsunternehmens Prognos, die am Freitag in München gemeinsam mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) vorgestellt wurde.

Bis 2035 wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter im Freistaat um 700000 Personen von 6,5 Millionen auf 5,8 Millionen abnehmen. Damit verbunden sei ein immer deutlicheres Fachkräfteparadoxon durch Digitalisierung und Dekarbonisierung in der Industrie, sagte Bertram Brossardt, Geschäftsführer der vbw: "Arbeitskräfteknappheit in Teilbereichen der Wirtschaft bei gleichzeitigem Arbeitskräfteüberschuss in anderen."

Als überraschende Erkenntnis der Studie bezeichnete Michael Böhmer, Chefvolkswirt von Prognos, den Bedarf an IT-Fachleuten im Freistaat. Trotz deutlich steigender Nachfrage in der IT-Branche wird es dort 2035 ein Überangebot an Arbeitskräften geben. "Die Fachleute in der IT sind fast alle jünger als 50 Jahre. In den nächsten Jahren scheidet von ihnen niemand aus dem Erwerbsleben aus, bei gleichzeitig hoher Beliebtheit der Branche bei jungen Menschen", erklärte Böhmer die Entwicklung.

"Missmatch"-Arbeitslosigkeit

Bis zu 45 Prozent der gesamten Arbeitslosigkeit in Deutschland sind schon heute auf ein Missverhältnis zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zurückzuführen, "Missmatch"-Arbeitslosigkeit genannt. Laut Studie wird sich diese Lage in Bayern noch verschärfen. So fehlen 2035 in den Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen etwa 15000 Erwerbstätige. In den nichtmedizinischen Gesundheitsberufen ist ebenfalls mit einem Arbeitskräftemangel von 15000 Personen zu rechnen.

Arbeitskräfteüberschüsse ergeben sich hingegen insbesondere bei den Lehr- und Forschungstätigkeiten an Hochschulen und bei der technischen Forschung und Entwicklung (jeweils rund 11000). "Aber es dominieren die Engpässe: 2035 zeigen sich in lediglich einem Drittel der Berufe Überschüsse, in zwei Dritteln droht Knappheit", so Brossardt. Eine Entwicklung, die sich seit Jahren im Bildungssektor anbahne. Der Trend zu Abitur und Studium sorgt besonders bei klassischen Ausbildungsberufen für Probleme. "Überschüsse gibt es tendenziell bei akademischen Tätigkeiten, Engpässe auf der Ebene der Fachkräfte mit berufsqualifizierendem Abschluss", sagte der vbw-Geschäftsführer.

Weiterbildung und Quereinstieg

Um "Missmatch"-Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, müsse stärker in Weiterbildung und Quereinstieg in andere Berufe investiert werden. "Mit stärkerer beruflicher Flexibilität haben wir einen großen Hebel zur Bekämpfung der Fachkräftelücke in der Hand", so Böhmer.

In den vergangenen Jahren sei der Arbeitsmarkt in Bayern sehr gut gelaufen, so Brossardt. Die Weichen für die kommenden Jahre müssten aber jetzt gestellt werden: " Um die Umbrüche am Arbeitsmarkt abzufedern, sind passgenaue Qualifizierungs-, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen Voraussetzungen für einen leichteren Wechsel aus einem Überschuss- in einen Engpassberuf für die Arbeitnehmer." Auch mit über 50 sei es in der heutigen Zeit nicht zu spät, sich weiterzubilden, so Brossardt.

− DK