Passau
Das sagen Eltern von Kindern mit Down-Syndrom zum Pränataltest

04.05.2019 | Stand 20.09.2023, 21:08 Uhr

Diese Eltern von Kindern mit Down-Syndrom sehen den aktuell diskutierten Pränataltest kritisch, unabhängig ihres Glaubens und ihrer Einstellung zum Thema Abtreibung, v.l.: Birte Heesch, Norbert Rump, Matthias Heesch, Markus und Miriam Biber. −Foto: Jäger

Das ungeborene Kind auf Trisomie 21 oder andere Veränderungen der Chromosomenzahl zu testen könnte bald Kassenleistung werden. Kritiker befürchten mehr Abtreibungen. Im Passauer Gespräch schildern Norbert Rump (52), Birte (53)und Matthias Heesch (58) sowie Markus (45) und Miriam (45) Biber mögliche Konsequenzen. Sie alle haben ein Kind mit Down-Sydrom.

Ein Gentest vor der Geburt, risikoärmer als die Fruchtwasseruntersuchung, könnte bald auch für gesetzlich Versicherte kostenlos werden. Was halten Sie davon?

Markus Biber: Wir sind gegen den Test an sich. Seine Zulassung 2012 war der eigentliche ethische Dammbruch. Der Test öffnete die Büchse der Pandora – nicht die jetzt diskutierte Zahlung durch die Kassen.

Miriam Biber: Sich nun dagegenzustellen, dass der Test für alle Risikoschwangeren statt nur für die wohlhabenden möglich ist, wäre hartherzig. Die Diskussion um die Kassenzahlung ist letztlich nicht mehr als eine lang vorausgesehene Folge der Zulassung des Tests an sich. Doch dieser verstößt meiner Meinung nach gegen die UNO-Behindertenrechtskonvention, weil er auf Selektion abzielt statt auf therapeutischen Nutzen für den Fötus oder die Mutter.

Ihre Kinder mit Trisomie 21, umgangssprachlich "Down-Syndrom", sind alle älter als sieben Jahre. Den besagten Test gab es also noch nicht, als Sie sie bekommen haben. Hatten Sie dennoch vor der Geburt eine Ahnung?

Birte Heesch: Ja, wir wussten es. Im Ersttrimester-Screening war die Nackenfaltenmessung auffällig. Also bot man uns an, den Verdacht zu überprüfen. Damals noch invasiv unter großem Risiko, einfach nur um Klarheit zu haben. Heute würden wir das nicht noch einmal machen. Abtreiben kam für uns sowieso nie in Frage.

Norbert Rump: Bei uns auch nicht. Meine Frau und ich hatten uns im Vorfeld sehr gut über pränatale Tests informiert und wozu sie gut sind. Da haben wir uns gleich bewusst gegen das Ersttrimester-Screening oder andere Tests wie eine Fruchtwasseruntersuchung entschieden. Das war allerdings gar nicht so einfach. Meine Frau wurde von der Frauenärztin regelrecht bedrängt zu testen. Letztlich haben wir den Frauenarzt gewechselt. Viele werdende Eltern, die sich vorher nicht informieren, geben dem Druck sicher nach.

Miriam Biber: Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Das Ganze ist nicht so einfach für die Ärzte, glaube ich. Die Untersuchungen finden in potenziellen Haftungsszenarien statt. Haftung wird wahrscheinlicher, wenn ein auffälliger Befund übersehen wird. Es war für unseren Frauenarzt sicher nicht leicht - mit zwei Juristen, die auf ihr Recht auf Nichtwissen bestehen (lacht). Wir waren nicht prinzipiell gegen invasive Diagnostik. Uns ging es immer darum, welchen Mehrwert die Diagnostik für das Kind hat. Eine Abtreibung stand auch bei uns zu keiner Zeit zur Diskussion.

Markus Biber: Als es beim Ultraschall Auffälligkeiten gab, war das natürlich schlimm für uns. Da muss man sich erst einmal sammeln. Wir wurden in eine Pränatalklinik nach München verwiesen. Dort haben wir aber nur Diagnostik machen lassen, die für unser ungeborenes Kind einen Vorteil bringen konnte. Viele dort haben uns angesehen, als wären wir rückständig. Als kämen die Hillibillies. Viele drängten explizit: "Überlegen Sie sich Ihre Entscheidung gut, sie hat die nächsten 70 Jahre Gültigkeit."

Ist zu befürchten, dass sich Eltern irgendwann rechtfertigen müssen, wenn sie sich für ein Kind mit Down-Syndrom "entscheiden"?

Norbert Rump: Irgendwie schon ja. Wenn der Test Standard wird, erkundigen sich Angehörige unter Umständen direkter nach den Ergebnissen. Familie, Großeltern, Freunde könnten bei einer Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung verstärkt mitreden und Einfluss haben wollen.

Birte Heesch: Schon jetzt lautet die Standardfrage ja: "Habt ihr das vorher gewusst?" Diese Frage fällt weg, wenn der Pränataltest Kassenleistung und damit Standard wird. Mehr noch: Die Leute können sagen, ihr habt euch dafür "entschieden" – auch finanziell. Ein Pflegegrad und finanzielle Unterstützung fallen dann vielleicht irgendwann weg. Nach dem Motto: "Wenn du dich für dieses Kind entscheidest, dann belaste bitte nicht die Gesellschaft."

Das Interview führte Daniela Pledl. Das komplette Interview lesen Sie in der Samstagsausgabe der Passauer Neuen Presse und kostenlos auf PNP Plus.