Bischofsmais
Bergwacht und Hubschrauber-Team proben den Ernstfall

11.10.2019 | Stand 21.09.2023, 5:40 Uhr

Die "Patientin" ist zum Abflug bereit, Ausbilder Jochen Gandowitz (Mitte) bewertet das Ergebnis. Notarzt Dr. Christian Ernst (links) und Bergwachtlerin Julia Grosch sowie Steve Trümpert vom ADAC hören zu. −Fotos: Fuchs

Für die Bergwachten ist die Sache klar: Von einem "Quantensprung" bei der Versorgung von Verunglückten spricht Robert Heilig, wenn es um das Thema Seilwinde geht. Seit knapp zwei Jahren hat der in Straubing stationierte Hubschrauber Christoph 15 des ADAC diese Einrichtung.

Sie ist seither schon rund 60 Mal zum Einsatz gekommen. Dabei sind allerdings auch die 20 Bergwachtbereitschaften im Bayerischen und Oberpfälzer Wald, die Robert Heilig leitet, mit neuen Anforderungen konfrontiert. Weshalb regelmäßig Übungen auf dem Dienstplan stehen – eine davon fand in der vergangenen Woche am Geißkopf statt.

Seit dem Morgen kreist der gelbe Hubschrauber über dem Berg. Zwei Unfall-Simulationen haben ADAC und Bergwacht auf der Forsthaus-Abfahrt aufgebaut. Eine Dummy-Puppe, im Sicherungsgurt am Liftmasten hängend, wirkt beruhigend auf Wanderer und Biker ein, die an diesem sonnigen Tag den Geißkopf bevölkern: Gott sei Dank, nur eine Übung!

Für das Team Julia Grosch und Dr. Christian Ernst wird es jetzt ernst. Die Deggendorfer Bergwachtfrau und der Notarzt vom Straubinger Klinikum St. Elisabeth hängen am 90 Meter langen Seil, das der Winden-Bediener, ein Notfallsanitäter des BRK, zu Boden lässt. Während der Pilot den Helikopter so ruhig wie möglich in der Luft hält. "Nicht so toll wie’s aussieht", sagt Trainingsleiter Stefan Kottbusch am Boden, "über den Gipfel kommen Windböen". Er ist einer von vier Piloten, die sich rund um die Uhr den Dienst auf Christoph 15 teilen.

Eine Liftarbeiterin ist vom Masten gestürzt und liegt leblos am Boden, das ist der Arbeitsauftrag für das Duo Grosch/Ernst. Routiniert lassen sie ihr Notversorgungs-Programm anlaufen. Robert Heilig und weitere Bergwachtler schauen ebenso zu wie Ausbilder Jochen Gandowitz, der die Simulation vorbereitet hat. "Wir sind Sankas in unwegsamem Gelände", kommentiert Bergwachtler Daniel Lemberger, als seine Bereitschaftskollegin mit flinken Fingern Injektiosspritzen aufzieht, den Infusionszugang legt, Medikamente vorbereitet, mit dem mobilen EKG hantiert. "Sie werden jetzt ein bisserl schlafen", sagt Dr. Ernst beruhigend zur "Patientin". Ein eingespieltes Team ist da am Werk, trotzdem dauert es gut 20 Minuten, bis die "Verunglückte" ordentlich im Transportsack verstaut ist.

"So, jetzt schau ma mal drüber", meint Ausbilder Gandowitz und wendet sich der verpackten Test-Person zu. Alles vorschriftsmäßig, ein paar Details merkt der Trainer trotzdem an. Zu Beispiel, dass der heftige Wind der Rotorblätter an allen Öffnung rüttelt – "passt auf, dass da keine Kabel herumflattern können." Überflüssige Handgriffe kann sich ersparen, wer beim Einhängen der vielen Karabiner eiserne Ordnung hält. Gandowitz zieht die große Absaugpumpe aus dem "Fußraum" des Transportsacks: Auch solches Gerät muss sinnvoll verstaut werden, bevor der Verunglückte zusammen mit dem Arzt endlich an den Windenhaken gehängt wird.

"Das Zusammenspiel im Team ist das wichtigste", erklärt Pilot Kottbusch. Er sieht beim Absetzen des Rettungsteams den Zielpunkt nicht, "ich muss mich also voll auf den Winden-Bediener verlassen können". Er selbst muss entscheiden, wann er einen Einsatz abbrechen muss, weil Wind oder Nebel zu stark sind. Ist das Gelände für die Landung zu steil oder zu brüchig? Dann wird auch mal nur die Bergwacht abgesetzt, um die Bergung vorzubereiten.

Die Herausforderungen sind also groß, dementsprechend viel muss geübt werden. Aber schon das Probejahr mit der neuen Seilwinde habe gezeigt, dass sie für die Region ein Riesengewinn sei, sagt Robert Heilig. "Wir können jetzt genau so professionelle Hilfe bieten wie die Retter im Alpenraum", sagt er. Ein Thema sei dabei auch der Personalaufwand. Denn wie die Feuerwehren tun sich auch die Bergwachten schwer, an einem Montagvormittag schnell Helfer zu mobilisieren. "Für einen Verletztentransport im Bayerischen Wald haben wir sonst schnell mal sechs Bergwachtler gebraucht, beim Winden-Einsatz reichen zwei".

Nicht selten geht es um Leben und Tod, und auch da haben die Bergwachtleute gute Argumente für die Seilwinde parat. Daniel Lemberger erinnert sich an den Mann, den am Dreitannenriegel ein Herzinfarkt ereilte: "Der hing innerhalb von 50 Minuten am Katheter". Und entging wohl um zehn Minuten dem Tod.

− jf