Langdorf/Bamberg
Vom Lehrling zum eigenen Lehrstuhl

05.08.2019 | Stand 05.08.2019, 19:00 Uhr

Prof. Dr. Martin Friesl ist seit 1. August Lehrstuhlinhaber an der Uni Bamberg. Begonnen hat der gebürtige Regener seine berufliche Karriere als Azubi bei der Sparkasse. −F.: K. Thoma/Uni Bamberg

Wenn man nach der Realschule eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Regen-Viechtach macht, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass man einmal Kreditsachbearbeiter wird oder eine Filiale leitet – eher ungewöhnlich ist, was der ehemalige Sparkassen-Azubi Martin Friesl, der aus Langdorf stammt, geschafft hat. Er hat jetzt den Lehrstuhl für BWL, insbesondere Organisation, an der Universität in Bamberg übernommen. Vorher hat er mehrere Jahre an einer Uni in England, in Lancaster, gelehrt und geforscht.

Ein Gespräch mit dem jungen Professor, der mit einer Zwieselerin verheiratet ist. Gemeinsam haben sie drei Kinder.

Sie haben an der Bundeswehr-Universität in München promoviert – als Externer? Oder waren Sie damals bei der Bundeswehr?
Martin Friesl: Ich war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie bei Prof. Sonja Sackmann PhD. Der Wissenschaftsbetrieb an der Bundeswehr-Uni ist zivil, die Studenten waren halt Offiziere. Das war eine super Zeit, kleine Gruppen und interessierte Studenten.
Was war der Grund, nach vielen Stationen im Ausland zurück nach Deutschland zu gehen?
Friesl: Das war eine Familienentscheidung. Wir haben uns in Großbritannien und in Lancaster insbesondere sehr wohl gefühlt. Unsere Kinder sind ja auch dort geboren. Ich war auch bereits Full Professor an der Lancaster University Management School und es gab eigentlich keinen Veränderungsdruck. Es war aber dann so, dass meine Frau Judith das Angebot bekam, Managing Director der neuen Deutschland-Niederlassung der Yordas Group zu werden. Zur selben Zeit wurde der Lehrstuhl in Bamberg besetzt, das passte einfach zusammen. Wir haben uns dann entschieden, wieder nach Deutschland zurück zu ziehen.
Hat der Brexit dabei eine Rolle gespielt? Verlassen wegen des Brexit auch Wissenschaftler aus der EU Großbritannien?
Friesl: Der Brexit hat indirekt eine Rolle gespielt. Die Expansion der Yordas Group nach Deutschland war ein Resultat der Referendumsentscheidung. Hatte jedoch nichts mit unserer persönlichen Motivation zu tun. Ich kenne einige Wissenschaftler die in den vergangenen zwei Jahren auf den Kontinent zurückgekehrt sind. Bei einigen wenigen hat dabei auch der Brexit eine Rolle gespielt. Ich weiß jedoch nicht, ob das tatsächlich ein genereller Trend ist. Gleichzeitig haben wir im letzten Jahr einige neue Kollegen aus dem europäischen Ausland nach Lancaster rekrutiert.
Sie beschäftigen sich auch mit der strategischen Neuausrichtung von Unternehmen. Mit Ihrem Hintergrund als gelernter Banker: Wäre es nicht eine reizvolle Aufgabe, Theorie und Praxis zu verbinden und Banken bei der gegenwärtigen Neuausrichtung zu begleiten?
Friesl: Das wäre sicherlich spannend, denn Herausforderungen gibt’s dort genug. Meine Forschungsprojekte finden immer in Kollaboration mit der Praxis statt. Aktuell arbeite ich intensiv mit einem großen Chemiekonzern (der Name muss leider geheim bleiben) sowie EY, einer der Top 4 Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Im ersten Projekt begleiten wir die Restrukturierung und den ,sicheren‘ Abbau zweier Geschäftsbereiche. Im zweiten Projekt geht es darum, wie Unternehmen Synergien bei Fusionen und Akquisitionen identifizieren, bewerten und letztlich dann heben.
Forschung ist das eine, die Lehre ist das andere: Was ist Ihr Selbstverständnis als Dozent?
Friesl: Die Lehre ist mir extrem wichtig – vielleicht auch, weil ich ursprünglich Lehrer werden wollte. Ich sage den Studierenden immer: ,Es genügt mir nicht, dass Sie etwas über Strategie wissen. Was ich eigentlich will, ist, dass Sie Strategen werden.‘ Als Wissenschaftler sind wir extrem privilegiert. Die Gesellschaft bezahlt uns, damit wir forschen und lehren können. Unsere Gestaltungsfreiräume sind immens und mit großer Verantwortung verbunden. Ich sehe meine Verantwortung vor allem darin, dass Studierende aus meinen Kursen etwas mitnehmen für ihr Leben als Manager.

Wie oft schaffen Sie es, in die alte Heimat Langdorf zu kommen?
Friesl: Wir sind drei bis vier Mal im Jahr daheim im Bayerischen Wald, meine Frau ist ja aus Zwiesel. In Zukunft wird das wieder öfter, Bamberg ist ja nicht so weit weg.
Sie sind ja ein Beleg für die Durchlässigkeit des bayerischen Schulsystems. Haben Sie sich nachträglich geärgert, nicht den geraden Weg übers Gymnasium genommen zu haben? Oder hat der "Umweg" über Realschule, Lehre, BOS aus Ihrer Sicht auch Vorteile?
Friesl: Ich habe das nie bereut. Die Banklehre bei der Sparkasse Regen-Viechtach war sicherlich ein super Fundament, und das hat mir später immer wieder geholfen. Ich würde auch die BOS nicht als Umweg sehen, vor allem nicht, wenn man nach dem Wirtschaftszweig an der BOS dann BWL oder Ähnliches studiert, ich habe Wirtschaftspädagogik an der LMU in München studiert. In diesem Fall war das eher eine Beschleunigung, da viele der Grundlagen bereits an der BOS vermittelt wurden.

Ich finde die Durchlässigkeit des Schulsystems absolut wichtig; den einen Weg als geradlinig und damit den anderen als Umweg etc. zu bezeichnen, finde ich nicht angebracht. Es gibt einfach unterschiedliche Bildungsbiographien.

Das Gespräch führte Michael Lukaschik