Landau
Heitere und gruselige Geschichten

Virtueller Hoagarten der Freiwilligenagentur mit Heimatforscher Nik Söltl

13.01.2022 | Stand 21.09.2023, 23:33 Uhr
Christian Melis

Der Landauer Heimatforscher Nik Söltl hatte einige Geschichten auf Lager. −Foto: lnp

"In Landau gehen die Uhren immer schon anders", sagte Nik Söltl humorvoll am Mittwochabend, als bei ihm in der heimischen Stube die Uhr etwas zu früh "Sechse" schlug. Just zu dieser Zeit hatten sich rund 40 Interessierte virtuell versammelt, um am zweiten Hoagarten mit dem Landauer Heimatforscher teilzunehmen. "In Hoagarten geh" war früher eine der schönsten und kurzweiligsten Beschäftigung an den Winterabenden. Diese Tradition will die Freiwilligen Agentur im Landkreis wieder aufleben lassen, wenn auch in zeitgemäßem Stil. In Pandemie-Zeiten bietet sich da das Internet als kontaktloser Treffpunkt an.

"Anfangen tun wir mit einem Musikstück," forderte Nik die beiden Musikanten auf. "Mia spuin jetzt an schönen Walzer, der heißt 'Immer mit der Ruhe'", erklärten die beiden Musikanten Walter Schönwald und Melanie Rockinger und machten mit der Steirischen den Auftakt des unterhaltsamen Abends. Gudrun Zollner, die Vorsitzende der Freiwilligenagentur Dingolfing-Landau ist, begrüßte herzlich zum Hoagarten. Corona macht erfinderisch. "Wenn man schon nicht in den Hoagarten gehen kann, dann darf man zumindest virtuell rein," freute sich die Vorsitzende über die gute Teilnahme. Geschäftsführerin Laura Dullinger erklärte noch ein paar technische Details, dann ging es auch schon los.

Kurzweilige Winterabende

"Da hat man Neuigkeiten aus dem Nachbardorf gehört, Zeitung hat nicht jeder gehabt, Radio hat es nicht gegeben, Fernsehen schon gleich gar nicht", berichtete Söltl über den damaligen Hoagarten. "In dieser heimeligen Stunde möchte ich Geschichten erzählen, mit Musik untermalt, von Generationen vor unserer Zeit." Der Landauer Heimatforscher unterhält sich seit mittlerweile gut 40 Jahren mit Menschen aus den Dörfern rundherum, sucht ältere Leute auf und sammelt die Geschichten, um Brauchtum und Lebensart für die nächsten Generationen zu bewahren. Aus diesem Sammelsurium brachte er heitere und gruselige Begebenheiten und von Originalen auf dem Dorf.

"Ich bin in einem Bauerndorf in Oberbayern aufgewachsen, da hat man sich ein gutes neues Jahr gewunschen. Ein Christkindl mit krauslige Hoar, a langs Leben, a guats Leben und 's Himmelreich daneben." Für dieses Sprücherl erhielten die Kinder sogar ein Fuchzgerl – viel Geld für die damalige Zeit. Josef Schlicht aus unserer Gegend war Volkskundler und in Tunding Pfarrer. Er schreibt um das Jahr 1850 vom "Neujahr anschreien": Die Kinder gingen von Haus zu Haus und sagten bei den Bauern für eine Krapfen oder ein Zehnerl folgendes Verserl auf: "Ich wünsch dem Bauern an Goldenen Rock, der ihm steht wie a Nagerlstock, und der Bäuerin a goldene Haubn, die ihr steht wie a Turteltaubn. Ich wünsch dem Herrn an silbern Tisch, an jedem Eck an 'backenen Fisch und a Glaserl Wein, da kann der Herr recht fröhlich sein."

Man merkt jetzt schon, dass das neue Jahr Fuss fasst und auswärts geht, sagte Söltl. Der Tag wird schon länger, dazu hatte einen alten Spruch aus der Zeitung von 1922 parat, den noch einige kannten. "Um Weihnachten wird der Tag länger um einen Hahnentritt, an Neujahr um einen Männerschritt, an Dreikönig um einen Hirschensprung und an Lichtmess um a ganze Stund'."

Walter Schönwald und Melanie Rockinger boten dazwischen staade Weisen, Lieder wie "I dua wos i wui, i dua wos i mog", "Mia san vom Woid dahoam" oder "D'Sau hot an schweinern Kopf", den Herzblut-Walzer oder einfach passend zu der Tageszeit den Guten-Abend-Boarischen.

Gruseln mit der Drud

Auch erzählte Söltl von einem Lehrer von Indersbach von früher, der vielfältige Aufgaben hatte und auch messnern musste. Dabei klagte er sein Leid über die viele Arbeit und trat einem Schuster das Glockenläuten für ein Honorar von fünf Mark im Jahr ab. Doch da war der Wirtshausbesuch, und niemand läutete spät nachts, als er betrunken an der Kirche vorbeikam. Da läutete er gleich selbst den neuen Tag an, viel zu früh, so dass die irritierte Feuerwehr auch noch ausrückte. Am nächsten, nüchternen Morgen läutete er erneut den Tag an, zum Leid des Pfarrers der ihn rügte, weil der Lehrer viel zu spät dran war.

Auch viel Aberglaube war seinerzeit in der Bevölkerung verankert. Johann Andreas Schmeller, der das bayerische Wörterbuch um das Jahr 1850 herum geschrieben hatte, hatte auch die Drud notiert und erklärte sie so: Nach der Meinung der breiten Bevölkerung handelt es sich um eine jener Hexen oder Unholdinnen, deren Liebhaberei es ist, sich auf die Brust Schlafender zu setzen und die ängstliche Empfindung eines Angstgefühls zu verursachen, das man als Alb oder Albgefühl bezeichnet: Luftmangel, Erstickungsgefühl und Steigerung bis zur Todesangst.

Von Bauern und Wirtshäusern

Auch von einem "siebengscheiten Bauern" aus Minadorf, überliefert von einem Simbacher, wusste der Heimatforscher zu berichten. "Siebengscheit, dafür gach zornig und unbeherrscht, hat er den Herrgott keinen guten Mann sein lassen. Bei der Ernte halfen alle auf dem Feld mit, auch die Kinder. Auf einmal wurde es ganz schwarz, ein Unwetter zog auf. Zum Heimgehen war es zu spät. Es begann zu schütten, blitzen und krachen, dass man meinen könnte, die Welt geht unter. Notdürftig war man im Unterstand der gebundenen Garben geschützt. Doch auf einmal schlug der Blitz gleich nebenan vom Bauern ein. Spöttisch fluchend meinte er mit dem Blick nach oben: G'wusst hat er, dass ich rein bin, aber wo ich rein bin, des hat er nicht gwusst."

Auch Geschichten aus dem Wirtshaus gab es beim Hoagarten zu hören. "Ihr habt's gesagt, dass der Wald so schön is, und ich sag dass des Bier dort so schlecht is", las der Heimatforscher ein Gedicht vor von einem Dürstenden, der den Osser hinunter lief und weit und breit kein Wirtshaus fand. Doch dann hatte er doch noch Glück: "Frisch 'zapft sein soll das Bier, Zenze", sagte er zur Bedienung. Doch ob es "frisch ozapft is, weiß ich ned, ich bin erst acht Tage in dem Haus, und seitdem lauft's aus dem Fassl raus."