Mainkofen
Projekt am Bezirksklinikum: "Das Herz kennt keine Demenz"

23.09.2021 | Stand 22.09.2023, 0:25 Uhr

Hat ein Konzept zur Angehörigenarbeit durch die Pflegenden mit demenzkranken Personen erarbeitet: Erhard Jungbauer, Stationsleiter C6/O, mit der "interaktiven Katze" und dem Snoezelen-Wagen mit Lichteffekten und Duftlampe. −Foto: Windorfer

Immer mehr Menschen sind als Angehörige von Demenzkranken betroffen. Im Demenzreport 2020 der Uni Bremen heißt es, dass 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt sind – mit dem Schwerpunkt der Alzheimerdemenz. Bis zum Jahr 2050, so die Hochrechnung, werden es voraussichtlich drei Millionen Betroffene sein. Auch im Bezirksklinikum Mainkofen werden Jahr für Jahr immer mehr Patienten mit einer Demenzerkrankung behandelt, wie aus einer Pressemitteilung des Klinikums hervorgeht.

Würde im Alter und Fähigkeiten bewahren

Was bedeutet dies für die Angehörigen? Sind sie den Belastungen und der Verantwortung gewachsen, die die altersbedingte Erkrankung mit sich bringt? Wo gelangen sie selbst an ihre Grenzen und wie lassen sich einfache Mittel finden, damit die Würde im Alter und die Erhaltung der Fähigkeiten so lange wie möglich bewahrt bleiben?

Antworten auf diese Fragen will das Pflegeteam der gerontopsychiatrischen Station C6/O geben. Die Gruppe um Stationsleiter Erhard Jungbauer fördert die Arbeit mit und für demenzkranke Menschen und hat aus genau diesem Grund ihr Angebot immer wieder erweitert.

Andreas Ulrich erarbeitete im Rahmen der Fachweiterbildung psychiatrische Pflege ein Konzept zur Angehörigenarbeit durch die Pflegenden – für pflegende Angehörige. Dies soll die bestehende Angehörigengruppe um Chefarzt Dr. Bernd Weigel ergänzen. Mit einfachen Worten soll Angehörigen vermittelt werden, welche Wege es zur Begleitung gibt, wie Verständnis für herausfordernde Situationen hergestellt werden kann und worauf es beim täglichen Kontakt als Angehöriger ankommt.

Das Projekt "Das Herz kennt keine Demenz" soll die Beziehungsarbeit mit Betroffenen ansprechen. Es gilt, auf Augenhöhe Kontakt aufzunehmen, mit ruhiger Stimme langsam und in kurzen Sätzen zu sprechen.

Ein Weg: Mit der Biografie beschäftigen

Anknüpfungspunkte gibt es dabei viele: Teilweise lebt die an Demenz erkrankte Person in ihrer eigenen Welt, ohne Zeitgefühl oder Orientierung zur aktuellen Situation. Dabei ist es hilfreich, sich mit der Biografie auseinanderzusetzen: Was hat der Betroffene gerne gemacht, womit war sein Leben ausgefüllt? Ist es die Sorge um die Kinder, den Hof oder ist es ein leidenschaftliches Hobby wie Fußball oder handwerkliche Betätigung? In diesen Herzensangelegenheiten lebt die alte Erinnerung an schöne Erlebnisse wieder auf. Es lassen sich angespannte Gedanken oder herausfordernde Verhaltensweisen oft damit abfedern oder auslenken.

Sinne mittels Licht, Wasser und Duft stimulieren

Unüberlegtes Verhalten Angehöriger kann unerwünschte Reaktionen fördern. Ständiges Zurechtweisen, Kritisieren, übermäßiges Betüdeln überfordert die Person mit Demenz. Der Fokus soll mehr auf das Können gerichtet sein. Der alte Menschen soll in seiner eigenen Welt begegnet und dort abgeholt werden, um den Alltag meistern zu können.

Dabei sind die Gesprächsthemen nicht nur auf Demenz begrenzt: Die Auseinandersetzung mit dem Sterben und der palliativen Behandlung gehören ebenso zur Expertise des Pflegeteams.

Damit auch das Equipment auf die anspruchsvolle Arbeit abgestimmt ist, hat die Station vor einiger Zeit Spenden erhalten. Mit dem Laienhelferkreis Mainkofen und dem Förderverein Mainkofen wurde ein mobiler Snoezelen-Wagen angeschafft. Die Sinne werden dabei mittels Lichtprojektion, Wassersäule oder Duftaromen sanft stimuliert.

Spenden ermöglichen Kauf einer "interaktiven Katze"

Auch eine "interaktive Hauskatze" haben die Patienten vor kurzem erhalten. Das possierliche Tierchen kann schnurren, miauen, die Augen öffnen oder den Kopf drehen. Ermöglicht hat dies eine Spende der orientalischen Tanzgruppe Sahira aus Wallersdorf. Dabei wirkt das Auflegen der Hand auf das Tier oder Streicheln beruhigend, angstlösend. "Auch ein Effekt des ,Nicht-allein-gelassen-seins‘ ist zu beobachten", heißt es in der Pressemitteilung des Klinikums. Stereotypien wie lautes Jammern oder Unruhe ließen merklich nach.

Einmal wöchentlich will die Gruppe künftig den pflegenden Angehörigen Raum für ermutigende Gespräche, Aufklärung und Beratung geben und auftretende Fragen zur häuslichen Versorgung und den alltäglichen Umgang beantworten.

− pz