Europäische Wochen Passau
Festspiele läuten mit Anna Prohaska glänzendes Finale ein

23.07.2021 | Stand 21.09.2023, 1:43 Uhr

Die große Sopranistin Anna Prohaska stellt sich ganz uneitel in den Dienst der Musik. Links neben ihr Bariton Nikolay Borchev, rechts Altistin Julia Böhme. Für das Konzert waren Gäste aus dem Landkreis Altötting und München in den Kreis Deggendorf gereist. −Foto: Toni Scholz

Was waren das für Kämpfe bei den Festspielen Europäische Wochen Passau. Nach dem Ausstand des prägenden Intendanten Pankraz von Freyberg 2011 trennte man sich 2016 unsanft von Peter Baumgardt, 2018 ebenso von Thomas Bauer, die "Interimslösung" Carsten Gerhard kürte der Trägerverein unter dem Vorsitz von Rosemarie Weber erst zum Festspielleiter und schließlich formell zum Intendanten. Ihm ist es 2020 als einem der wenigen gelungen, ein Festival während der Pandemie anzubieten, 2021 glänzen die EW mit einem sogar besonders hochrangig besetzten Programm mit Stars wie Igor Levit, Ute Lemper und – als Auftakt zum Finalwochenende am Donnerstagabend – Sopranistin Anna Prohaska.



Offensichtlich ist künstlerische Erntezeit für die Mühen der letzen Jahre, die überregionale Anerkennung ist offenkundig: Vor wenigen Tagen huldigte die "FAZ" den fernen Festspielen im Südosten der Republik, zu Anna Prohaskas Programm reisten Gäste aus Burghausen im Landkreis Altötting und gar aus München an – sie erlebten einen Höhepunkt dieses bayerischen Festspielsommers.

Die umschwärmte Opernsängerin, 1983 geboren in Neu-Ulm und aufgewachsen in Wien und Berlin, prangt allein auf den Plakaten, im pandemiebedingt gewählten und atmosphärisch wie akustisch wundervollen Innenhof der Asamkirche Osterhofen-Altenmarkt im Kreis Deggendorf aber präsentiert sie sich als vollendeter Teamplayer inmitten eines Solistenquartetts mit Julia Böhme (Alt), Richard Resch (Tenor) und Nikolay Borchev (Bariton) – mit einer Wonne von Programmauswahl.

Aus Einzelnummern der Bühnenmusiken des englischen Komponisten Henry Purcell (1659 bis 1695) "King Arthur", "The Libertine", "Dido and Aeneas", "The Fairy Queen", "Come Ye Sons of Art", "The Tempest", "Bonduca" und "The Prophetess" haben Prohaska und das Barockorchester La Folia fast eine Art Suite geformt, welche die "Glorious Revolution", den Wandel Englands zur Demokratie, zum Thema hat.

Während die Texte die kühnen Briten und "nichts als Schlachten" besingen, ist Purcells Musik ein Fest an froher Leichtigkeit. La Folia wagt auf historischen Instrumenten und mit einer fast schon jazzig groovenden Bassgruppe aus Cembalo, Violone, Cello, Gambe und Theorbe eine ultratransparente und tanzende Spielweise mit Mut zur Zerbrechlichkeit, zaubert ein Pianissimo zum Atemstocken, und mit Naturtrompeten, Marschtrommel und Tambourin die festliche Pracht.

Magisch macht den Abend, wie die große Sopranistin diese Musik bewusst klein und grazil gestaltet. Ihr Ton ist wie komprimiert, es liegt alle Energie darin, und sei er noch so leise. Glockig und mühelos trägt die Stimme, so perfekt ist sie geformt und geführt. Am faszinierendsten ist Prohaskas diszipliniert-dienende Haltung den Feinheiten und dem Esprit der Kompositionen gegenüber. Ihre Koloraturen sind zugleich rhythmisch völlig exakt und wie nebenbei gesungen – das ist große Gesangskunst, den Zierrat nicht als Mittel zum Virtuosentum zu instrumentalisieren, sondern ganz uneitel als Nebensache zu interpretieren.

Schon im Konzert leitet das Orchester das Quartett "Hither, This Way" aus "King Arthur" augenzwinkernd mit gezupftem Bass nach Jazzart ein, in der Zugabe wird daraus gänzlich eine grandiose Swing-Nummer. Das Publikum ist glückselig – und weiß nun, bei wem die Jazzer den Groove gelernt haben – bei den Alten, bei Monteverdi, Bach und Henry Purcell.

Raimund Meisenberger



Alle Berichte zu den Europäischen Wochen auf pnp.de/ew