Ellen Harvey im Museum der Moderne Salzburg
Weg und für immer verloren: Zerstörte Orte im Museum

15.12.2021 | Stand 20.09.2023, 2:04 Uhr
Helga Mikosch

Der enttäuschte Tourist – "The Disappointed Tourist" – nennt US-Künstlerin Ellen Harvey ihre Ausstellung in Salzburg, wie auch diese Bilderwand. Jeder kann ihr weitere Vorschläge unterbreiten. −Foto: Mikosch

Das Kulturleben geht weiter – zumindest für Genesene und Geimpfte. "The Disappointed Tourist" nennt sich die erste umfassende Ausstellung der US-amerikanischen Künstlerin Ellen Harvey im Museum der Moderne in Salzburg und bezieht sich damit auf ihr seit 2019 fortlaufendes Projekt, dem Betrachter in bisher über 200 mit Acryl auf Holztafeln gemalten Bildern Orte vorzustellen, die weltweit zerstört wurden und nicht mehr in ihrer ursprünglichen Schönheit oder Originalität erhalten sind.

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Selbst zumeist persönlich anwesend, malt Harvey neben dieser Ausstellungswand an weiteren Bildern, die sie als Vorschläge von "enttäuschten Touristen" online erfragt und erhält.

Viele wirken wie Schwarzweißfotografien. Der Betrachter entdeckt Bilder zerstörter Natur wie schmelzende Eisberge oder Gletscher, zerbröckelnde Felswände, durch Intoleranz, Rassismus und in Kriegen vernichtete religiöse Bauten wie den berühmten Baaltempel in Palmyra, die Trümmer des alten Sommerpalast in Peking, Kirchen, Moscheen oder Synagogen und Denkmäler. Selbst alltägliche Verluste durch Gentrifizierung wie eines persönlichen Lieblingsplatzes, z.B. einer alten Kneipe, macht Harvey zum Thema ihrer Dokumentation und Kritik.

Ebenso beschäftigt die Künstlerin die unterschiedliche menschliche Wahrnehmung derselben Umgebung und weist in origineller Form darauf hin: "Das Zimmer der erhabenen Tapete" nennt sie hier einen betretbaren, von ihr gezimmerten kleinen Raum, dessen "Tapete" aus einer von ihr realistisch gemalter Berglandschaft um den St. Bernhard Pass besteht. Die vielen an der Rückwand befestigten verschieden großen und in unterschiedlichen Neigungen montierten Spiegel werfen die Realität der gegenüberliegenden Landschaft verzerrt zurück. Harvey bedient sich in ihren verschiedenen Objekten gekonnt auch der tradierten Techniken. So hat sie als junge Frau in der Grafittiszene New Yorks inmitten der besprayten Zäune, Wände oder Schilder Bilder von Caspar David Friedrich und anderen Romantikern in deren Technik in ovalen Miniformaten kopiert und sogar vor der New Yorker Polizei dafür einmal Prügel bezogen, wie sie heute belustigt erzählt. Eine große Zahl von Fotografien aus dieser Zeit belegen in der Ausstellung die heute oft nicht mehr auffindbaren "illegalen" Werke.

Fast die gesamte Länge und Höhe eines der beiden Ausstellungsräume nimmt ihr bisher großformatigstes Werk ein: die riesige Kartografie eines Satellitenbildes von Florida. Hier beschäftigt sie sich mit dem steigenden Meeresspiegel, welcher Florida in weiten Teilen unter Wasser setzt. Da Ellen Harvey zumeist anwesend ist und malt, hat der Besucher auch die Chance, die kommunikative Künstlerin selbst zu ihren vielen anderen Arbeiten zu befragen.

Helga Mikosch



•Bis 20. Februar im Museum der Moderne auf dem Salzburger Mönchsberg, geöffnet Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Mi 10 bis 20 Uhr

•Für die Salzburger Ausstellung nimmt Ellen Harvey weiterhin Vorschläge entgegen unter unter disappointedtourist.org