Zynische "Todesanzeige" diffamiert die Gemeinde

Der Vorwurf: Versagen in der Corona-Krise – Anzeige erstattet – Kur- und Gewerbeverein distanziert sich von Facebook-Post

28.03.2020 | Stand 20.09.2023, 2:07 Uhr

Diese "Todesanzeige" kursiert seit Donnerstag auf Facebook. Der Kur- und Gewerbeverein Bad Füssing distanziert sich davon. Vorsitzender Maximilian Fuchs versichert: "Das kommt weder von mir noch von einem meiner Stellvertreter." −Foto: red

Bad Füssing. Für Bürgermeister Alois Brundobler ist es "geschmacklos, unanständig und dazu geeignet, das Vertrauen auf Dauer zu zerstören". Seit Donnerstag kursiert auf Facebook eine "Todesanzeige", die der Gemeindeverwaltung und dem Kur- und Gästeservice auf zynische Weise Versagen in der Corona-Krise vorwirft. Statt einen Krisenstab einzurichten, habe man lieber die Türen verriegelt, heißt es dort. Als "Trauernde" sind der Kur- und Gewerbeverein sowie "alle Unternehmer" und "alle geistreichen Bürger" genannt. Gestern hat die
"Man weiß nicht, was inden Köpfen so alles vorgeht" Gemeinde Bad Füssing bei der Polizei Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede erstattet. Der Kur- und Gewerbeverein distanziert sich von der Aktion. "Das kommt weder von mir noch von einem meiner Stellvertreter", betont Vorsitzender Maximilian Fuchs.

Von der "Todesanzeige" hat Fuchs über WhatsApp erfahren. "Einen Facebook-Account habe ich gar nicht." Bereits gestern Vormittag forderte die Polizei nach Erstattung der Anzeige eine Stellungnahme bei ihm ein. Fuchs versichert, den Urheber des beleidigenden Posts nicht zu kennen. Dass jemand aus dem Kreis der 250 Mitglieder des Kur- und Gewerbevereins als Verfasser in Frage kommt, kann er sich allerdings schon vorstellen. "Man weiß nicht, was in diesen Tagen so alles in den Köpfen vorgeht." Die Corona-Katastrophe bedrohe viele Existenzen im Kurort, da habe vielleicht jemand seiner Not Luft gemacht.

Das denkt auch Fuchs’ Stellvertreter Günter Köck. "Für mich liest sich das so, als komme es von einem unzufriedenen Geschäftstreibenden." Köck verurteilt den Sarkasmus, kann aber verstehen, dass sich die Verzweiflung in den Betrieben auf irgendeine Weise Luft macht. "Die Gemeinde hat die Krise nicht im Griff. Ich höre unzufriedene Stimmen von allen Seiten", sagt Köck, der nicht nur 2. Vorsitzender des Kur- und Gewerbevereins, sondern auch 2. Bürgermeister ist. Köck hat ebenfalls über WhatsApp erfahren, dass die "Todesanzeige" kursiert. Auch er ist kein Facebook-Nutzer. "Normalerweise reagiere ich in keiner Weise auf ’Hatebook‘", sagt Köck.

Maximilian Fuchs hat seine Kritik bereits in einem offenen Brief geäußert. "Den Brief habe ich am Montag verfasst, er müsste inzwischen längst bei der Gemeinde eingegangen sein", hat er sich eigentlich schon eine Reaktion erwartet. In dem Schreiben fordert er unter anderem bessere Informationen zu Stundungsmöglichkeiten oder die Senkung des Fremdenverkehrsbeitrags. "Ich habe wenig vom Bürgermeister gehört, seitens der Gemeinde gab es keine Bemühungen, die Gewerbetreibenden zu informieren", wünscht sich Fuchs für die Zukunft eine konstruktivere Zusammenarbeit. "Nach Corona kommen wir nur wieder auf die Füße, wenn wir eng mit dem Kur- und Gästeservice zusammenarbeiten."

Den offenen Brief von Maximilian Fuchs hatte Bürgermeister Alois Brundobler bis gestern Mittag noch nicht erhalten. Auch wenn ihm angesichts der "Todesanzeige" ein Kloß im Hals sitzt, spricht er doch von "gegenseitigem Vertrauen". Denn nur mit Kooperation, Solidarität und Vertrauen komme man im Kurort wieder auf die Füße. Die Facebook-Aktion sei "fatal", weil sie geeignet sei, dieses Vertrauen zu zerstören. Dass man ihm Kompetenzlosigkeit und "reines Selbstverwalten" vorwirft, trifft Brundobler hart. "Wir tun seit Tagen alles dafür, den Ort zu retten", es gebe Gesprächsrunde um Gesprächsrunde. Ob diese Bemühungen nun die Bezeichnung "Krisenstab" erhielten oder eine andere, sei nachrangig. "Ich höre mir alles an, was vorgetragen wird", weist er es weit von sich, dass zu wenig Verständnis für die Betriebe vorhanden sei.

Die ohnehin in der Krise zutiefst betrübte Stimmung ist mit dem Facebook-Post auch bei Kurdirektor Rudolf Weinberger noch ein Stück nach weiter unten gegangen. "Wir tun alles, dass die Leute über die Runden kommen – und jetzt das!", ringt der sonst so redegewandte Kurdirektor um Worte. "Das ist unter aller Kanone. Gerade in der jetzigen Situation, wo alle zusammenstehen sollten, kommt so etwas. Solchen Leuten ist nicht zu helfen", kommt es bitter aus Weinberger heraus. Der Chef des Kur- und Gästeservice geht bald in Rente, nächste Woche ist sein letzter Arbeitstag. Offen gibt er zu, dass er sich niemals hätte vorstellen können, mit solchen Schmähungen im Genick verabschiedet zu werden.
"Den Herrgott bemühen,wenn wir ihn brauchen" Bürgermeister Alois Brundobler ist es "eiskalt den Rücken runtergelaufen", als er die "Todesanzeige" gesehen hat. Blasphemisch zu schreiben, "Gott der Herr rief die Gemeindeverwaltung und den Kur- und Gästeservice Bad Füssing heute nach langem dahindümpeln (nicht Dahindümpeln – Anmerkung der Red.) für immer zu sich", sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. "Den Herrgott sollten wir für die Dinge bemühen, wo wir ihn wirklich brauchen."